Nach dem Entertainment-Feuerwerk “Kick-Ass” hätte ich niemals gedacht, dieses Jahr noch einmal so prächtig und kurzweilig im Kino unterhalten zu werden. Weit gefehlt, denn gegen “Scott Pilgrim vs. The World” wirkt sogar der nerdige Superheld-Streifen wie gewöhnliche Hausmannskost. Und dabei sind die Parallelen unverkennbar. Während bei “Kick-Ass” der Brite Matthew Vaughn (“Der Sternenwanderer”) im Regiestuhl saß, führte bei “Scott Pilgrim” sein Landsmann Edgar Wright Regie. Der wiederum hat mit Filmen wie “Shaun of the Dead” und “Hot Fuzz” schon bewiesen, dass er zu den coolsten Regisseuren seiner Generation gehört. Vor allem aber ist Wright bekennender Nerd, was er mit seiner genialen Serie “Spaced” (kann man günstig in online Kaufhäusern bestellen. Sehr empfehlenswert) gerade zu manifestiert hat. Überhaupt scheint Hollywood immer mehr in der Hand der Nerds zu sein. Egal ob Judd Appatow, Chris Nolan, Seth Rogen, Zack Snyder oder die eben schon angesprochene Vertretung aus England.

Wie Simon Pegg neulich in einem BBC Interview richtig feststellte, ist der Nerd zum Trendsetter geworden. Nerd-sein ist cool geworden. Wenn man sich anschaut wieviele Comic- oder Videospielverfilmungen kommen, dann wird deutlich, dass Nerd der neue Mainstream ist. Aber was ist eigentlich ein Nerd? In besagtem Interview definiert Pegg den Nerd als jemanden, der sich mit einer bestimmten Sache sehr gut auskennt, der auch Stolz auf sein Wissen zu diesem Thema ist. Generell kann man wohl sagen, dass die “Achse” Filme, Musik, Games und Comics den Nerd wohl am ehesten definiert.

Hier war mal ein Bild das leider nicht gebackupt wurde :(

Und deshalb ist “Scott Pilgrim vs. The World” auch ein Film von Nerds für Nerds. Ein Film, der das Nerd-Sein richtig zelebriert, damit angibt und es abfeiert. In fast jeder Szene gibt es für Nerds etwas zu entdecken. Seien es Anspielungen auf Videospiele (zusammengeschlagene Bösewichter lösen sich in Partikeln auf und hinterlassen Münzen, die Band, in der Scott Pilgrim spielt nennt sich “Sex Bob-Ombs”, wie die kleinen laufenden Bomben aus den “Super Mario”-Spielen uvm.), Filme oder Comics. Macht ja auch Sinn, schließlich basiert der Film auf dem gleichnamigen Comic bzw. der Comic-Reihe. Die Story ist dabei eigentlich fast Nebensache und wirklich nichts besonderes:

Scott Pilgrim (Michael Cera) verliebt sich über Umwege in die mysteriöse Ramona Flowers (Mary Elizabeth Winstead) und eigentlich steht ihrer Liebe nicht viel im Weg. Eigentlich. Denn leider kann sich Ramona erst mit Scott daten, wenn er es schafft ihre sieben Ex-Lover zu besiegen. Parallel muss Scott mit seiner Band auch noch um einen Plattenvertrag beim mächtigen Studioboss Gideon Graves kämpfen. Und dann ist da noch Pilgrims Ex-Freundin Knives Chau (Ellen Wong), die sich irgendwie gar nicht mit der Idee anfreunden will, dass Scott jetzt Ramona liebt…

Hier war mal ein Bild das leider nicht gebackupt wurde :(

Die Story ist simpel. Und klingt, wenn man sie so liest, fast schon bescheuert. Eigentlich ne klassische Boy meets Girl-Geschichte, aber für den Film ist sie als Rahmenhandlung wie perfekt. Aufgebaut wie ein Videospiel, muss sich Scott Pilgrim durch die verschiedenen “Stages” kämpfen, an dessen Ende dann der Obermotz in Form eines Ex-Freundes auf ihn wartet. Wer jetzt hier mit einer langweiligen 0815-Romantic Comedy rechnet ist schief gewickelt. Denn die Kämpfe, die sich Pilgrim mit seinen Widersachern liefert, lassen jeden “Matrix”-Kampf alt aussehen. Was hier an Effekten, Abwechslung und einfach purer Cleverness an den Tag gelegt wird, ist der reine Wahnsinn. Die Kämpfe sind so flashig, schnell und abgefahren, dass Ihr es kaum erwarten könnt, bis der nächste Ex-Freund auftaucht, damit es wieder ordentlich zur Sache geht. Und schon greift der Film von Edgar Wright genau so, wie er es wollte. Er macht Euch süchtig wie ein cooles Videospiel.

Mein erster Gedanke nach dem Film war, dass das der erste echte Videospiel-Film ist, den ich gesehen habe. Während Filme wie “Prince of Persia” oder “Tomb Raider” versuchen die Videospiel-Welt glaubwürdig in eine vermeintlich reale Welt zu übersetzen, lässt Edgar Wright “Scott Pilgrim” genau da, wo er hingehört. In einer Welt wo Gegner sich in Münzen auflösen, wo 8-Bit Musik im Hintergrund läuft und wo Ex-Freunde Energiebalken haben. “Scott Pilgrim vs. The World” ist die Antwort auf die Frage: “Was wäre wenn das Leben ein Videospiel wäre?”.

Hier war mal ein Bild das leider nicht gebackupt wurde :(

Dass der Film aber nicht nur für Gamer und Hardcore-Nerds ein pures Vergnügen ist, ist alleine der feinen Hand von Edgar Wright zu verdanken. Zwischen den brachialen Action-Sequenzen nimmt sich der Film stets Zeit, seine neurotischen Hauptcharaktere zu beleuchten und verwickelt sie ständig in lustige Situationen. Die Rollen wurden dabei perfekt besetzt. Allen voran natürlich Nerd-König Michael Cera, der spätestens seit Filmen wie “Juno” oder “Superbad”, vor allem aber auch durch die Serie “Arrested Development” zum Nerd-Inventar gehört. Aber selbst Nebenrollen, wie Pilgrims schwuler Zimmernachbar Wallace Wells (Kieran Culkin) Oberschurke Gideon Graves (Jason Schwartzman) oder Ramonas Ex-Freunde passen einfach wie perfekt.

“Scott Pilgrim vs. The World” ist perfekte Unterhaltung. Ein Film der Euch audiovisuell stimulieren wird. Ein Film der vor Ideen und Cleverness so sehr strotzt, dass Ihr Euch fragt, warum es nicht mehr Filme dieser Art gibt. Leider ist der Film an den US-Kinokassen, trotz durchweg hervorragender Kritiken, ziemlich gefloppt. Nicht nur aus diesem Grund solltet Ihr erst recht reingehen, denn ich will verdammt noch mal eine Fortsetzung und deshalb werde ich nicht müde diesen Film anzupreisen. Ich wurde seit “Avatar” nicht mehr so blendend unterhalten und habe mit einem breiten Grinsen das Kino verlassen. Nerd up, bitches!


Eigentlich hat mein geschätzter Kollege Eddy schon alles Wissenswerte zu diesem in allen Neonfarben glitzernden Filmjuwel gesagt. Kurz gefasst: Wenn ihr euch auch nur einen Hauch für Videospiele interessiert, wenn ihr jemals sieben böse Irgendwasse besiegt habt, um am Ende ein anderes Irgendwas zu retten; wenn ihr den ersten wirklich ernst zu nehmenden Videospielfilm erleben wollt, ist “Scott Pilgrim vs. The World” Pflicht. Da gibt es keine zwei Meinungen.

Ich verliebe mich immer mehr in Edgar Wright. Schon “Spaced”, auf das ich penetrant immer wieder hinweise, war nichts weniger als ein Geniestreich. “Shaun of the Dead” und “Hot Fuzz” haben dann endgültig bewiesen, dass Mister Wright nicht nur ein verflucht guter Filmemacher ist, sondern sich auch auf dem Gebiet der Popkultur so sicher bewegt wie ich mich in der Ab-18-Abteilung der Videothek. “Scott Pilgrim” ist eine einzige Liebeserklärung an Videospiele, an Nerdtum und an den Traum, dass jeder am Ende sein Mädchen kriegt. Wenn man vorher ihre sieben Ex-Lover (wichtig: nicht Freunde!) besiegt.

Hier war mal ein Bild das leider nicht gebackupt wurde :(

Jeden kleinen Seitenhieb, jede Anspielung auf die Spielerkultur hier wiederzugeben, würde definitiv den Rahmen sprengen. Und euch den Spaß verderben, die unzähligen Details in nahezu jeder Einstellung zu entdecken. Achtet auf alles: Auf T-Shirts, auf Soundschnipsel, auf Zitate. Echte Hardcore-Gamer sollten Strichlisten führen und vergleichen, wie viele Insider-Gags sie in den 112 Filmminuten mitbekommen haben. Auch wenn es dafür kein Achievement gibt.

Doch selbst wenn ihr keine Spielejunkies seid (Was macht ihr dann auf dieser Seite…?), dürfte sich “Scott Pilgrim” mühelos auf einen der vorderen Plätze eurer Film-Jahrescharts kämpfen. Denn bei aller Nerdigkeit hat die Geschichte von Scott und seiner großen Liebe Ramona Flowers vor allem eines: Herz. Es geht nicht darum, möglichst viele abgefahrene Effekte in ein hysterisches FX-Gewitter zu quetschen. Oder sich über die Gamerkultur und ihre bisweilen recht bizarren Auswüchste lustig zu machen. Sondern um einen ganz normalen, liebenswerten Außenseiter, der um ein Mädchen kämpft, das er niemals im Leben haben kann, weil sie alles das ist, was er nicht ist: Cool und schön und selbstsicher. Ich erinnere mich noch gut an meine Teenagerjahre, in denen ich um Mädchen kämpfte, die ich nie im Leben haben konnte, weil … ihr wisst schon. Ein bisschen von Scott Pilgrim steckt in allen von uns und ich habe schon immer große Sympathien für die Underdogs gehabt. Aber zum Glück ist heute alles ganz anders und wir sind die coolsten Schweine im Block! Okay, Eddy ist immer noch so. Aber sonst!

Hier war mal ein Bild das leider nicht gebackupt wurde :(

Wer bei der Bezeichung “Videospielfilm” sofort reflexartig die Fenster vernagelt und sich kreischend unter dem Tisch versteckt, weil er an Uwe Boll denkt und “House of the Dead” und “Alone in the Dark” und “BloodRayne” und “Schwerter des Königs” und an das ganze andere Gerümpel – dieser Film ist anders. “Scott Pilgrim” biedert sich nicht im Gamerlager an, um noch mehr Tickets zu verkaufen. Und Edgar Wright macht nicht den Fehler, unser Hobby ins Lächerliche zu ziehen. Im Gegenteil: Er nimmt seine Geschichte, die Figuren darin und ihren Nerd-Kosmos absolut ernst. Und deswegen ist es kein billiger Kalauer, wenn ein besiegter Gegner nach dem letzten Schlag (der natürlich stilecht in Zeitlupe erfolgt) verpufft und zu einem funkelnden Münzenregen wird – sondern ein augenzwinkernder Knuff, der voll ins Schwarze trifft. Das muss nicht erklärt werden. So ist es halt in Videospielen, so war es und so wird es immer sein, Amen. Ins echte (Kino-)Leben übertragen, wird einem erst mal wieder bewusst, wie bescheuert so eine Szene eigentlich ist, die uns Spielern seit Jahrzehnten immer wieder vorgesetzt wird. Und dann lacht man gleich noch mal so laut.

Hier war mal ein Bild das leider nicht gebackupt wurde :(

“Scott Pilgrim vs. The World” ist ein nahezu perfektes Vergnügen für Alles-Spieler, Gelegenheitsspieler, die, die es werden wollen und die, die es schon längst sind. Wer in diesen Film nicht reingeht, darf nie wieder was auf gameone.de posten. Nirgendwo.


Der Film läuft ab morgen, dem 21. Oktober, bei uns im Kino an. Was denkt ihr?

Ach ja: Und wer noch mal sehen will, wie sich die Redaktion im gleichnamigen und sehr empfehlenswerten Spiel zum Film zum Comic schlägt – biddeschön.