Comics sind das Größte. Findet zumindest Dave Lizewski (Aaron Johnson). Der schlacksige Vollnerd hat die typischen Probleme eines Schwerstpubertierenden, die dem einen oder anderen von uns grauenvoll vertraut sein werden: Er hat null Muckis, ist in keinster Weise cool und wird von absolut jeder Lebensform erregt, die Brüste hat, vor allem von seiner Lehrerin. Was nicht für Taschentücher drauf geht, gibt er für seine geliebten Comics aus. Mit einem Wort: Er ist ein ziemlicher Loser.

Vielleicht fühlt er sich genau deswegen zu Höherem berufen: “Warum gibt es eigentlich keine echten Superhelden?”, fragt er irgendwann seine nicht minder peinlichen Kumpels. Immerhin gibt es doch so viele Menschen auf dem Planeten, die ebenso wie er auf diesen ganzen Comic-Quatsch stehen – da muss es doch irgendwo irgendwen geben, der es Batman, Spider-Man und Co. gleichtut und hier mal so richtig aufräumt. Böse Buben verdreschen, für Recht und Ordnung sorgen, zitternde Ladies aus den haarigen Armen ihrer Häscher retten. Ein ECHTER Superheld eben! Zittere, Unterwelt: Dave bestellt sich einen froschgrünen Neopren-Anzug im Internet und wappnet sich für den Kampf gegen das Verbrechen…

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Ein satirischer Comicfilm also, in dem sympathisch-verschrobene Geeks ihren fiktiven Vorbildern nacheifern. Dann ist ja wohl klar, wie’s weitergeht: Entweder als harmloses Feelgood-Buddy-Movie mit ein paar nerdigen Anspielungen (siehe “Fanboys”) oder als kreischige Schwachsinnssparade, die heutzutage in den USA als “Comedy” durchgeht (siehe “Superhero Movie”). Tja, und genau damit liegt man ziemlich falsch – denn “Kick-Ass” ist eine wüste Actionkomödie für Erwachsene und solche, die es nie werden wollen, himmelschreiend witzig und haarsträubend brutal zugleich. In den USA sorgte Matthew Vaughns (“Layer Cake”) Verbeugung/Abrechung mit der Comic-Kultur bereits für zünftige Kontroversen. “Kick-Ass” ist der sprichwörtliche Tritt in den Hintern der Political Correctness und schreckt vor deftigen Flüchen (“Okay you cunts, let’s see what you can do”) ebenso wenig zurück wie vor Gewalt gegen Kinder. Und Gewalt VON Kindern. “Kick-Ass” schert sich einen Dreck darum, was man als Comic-Verfilmung „darf“ und was nicht – ohne plump auf billige Provokation zu setzen. Sozialpädagogen dürften hier ihren ultimativen Alptraum erleben, aber vermutlich fallen die eh nach spätestens der Hälfte des Films einfach tot um. Death by awesomeness.

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“Kick-Ass” weiß sehr wohl um die Grenzen des guten Geschmacks, übertritt sie aber regelmäßig mit diebischer Freude. So manch unwissender Kinogänger, der “sowas wie Spider-Man” erwartet, könnte da bisweilen etwas verstört reagieren. Denn Regisseur Vaughan und der “Wanted” -Schöpfer Mark Millar nehmen ihre Geschichte bei allem Spaß durchaus ernst. Denn was wäre denn, wenn ein jugendlicher Spargeltarzan wirklich einen auf Superheld machen würde? Er würde vermutlich von den nächstbesten Straßenschlägern derart verdroschen werden, dass er erst im Krankenhaus wieder zu sich kommt – wenn überhaupt. Und wenn unser verkleideter Supernerd einem eiskalten Gangsterboss (Mark Strong aus Sherlock Holmes) in die Quere kommt, wird dieser nicht mit Verständnis und heimlicher Sympathie für den Underdog reagieren, sondern … nun, wie sagt er selbst so unmissverständlich: “I want this cocksucker’s fucking head on a stick.” Ein alberner Story-Aufhänger vor einem (halbwegs) realistischen Hintergrund – aus diesem Spannungsverhältnis entwickeln sich die größten Lacher von “Kick-Ass”. Aber auch die grotesk brutalen Kampfszenen, die die andere Hälfte des Films ausmachen. Erwähnte ich bereits, wie brutal “Kick-Ass” ist?

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Okay, reden wir über Hit-Girl. Hit-Girl (Chloe Moretz) ist ungefähr elf Jahre alt, sieht aus wie ein kleiner Engel und bringt am liebsten Verbrecher um. Mit Schwertern. Oder Messern. Zur Not auch mit Knarren. Zusammen mit ihrem Ziehvater Big Daddy (Nicolas Cage) zeigt sie dem linkischen Kick-Ass, wie man wirklich aufräumt im Untergrund. Und spätestens mit ihrem Auftreten lassen die Macher den letzten Rest an Subtilität fahren und drehen noch mal kräftig an der Gewaltschraube. Hit-Girl mäht Gangster nieder wie andere Leute ihren Rasen – nämlich in Zeitlupe und Großaufnahme und am Ende sind viele, viele Menschen tot, zumindest mähen WIR unseren Rasen so.

Als hätte die Tochter von Beatrix Kiddo einen Kostümverleih geplündert, schnetzelt sich das Gore-Girl gegen Ende des Films als maskierte Rächerin durch die Gegnerscharen, dass das Kunstblut nur so spritzt. Ich für meinen Teil kann mich nicht erinnern, wann es das letzte Mal in einem vergleichbar mainstreamigen Film so viele Todesszenen aus nächster Nähe (und, in einer für Gamer besonders erhebenden Sequenz, sogar aus Ego-Sicht) zu sehen gab. Durch die völlig überspitzte Darstellung gerät die Bildschirmgewalt nie in Gefahr, wirklich zu schockieren – aber mehr als einmal dürfte auch abgebrühten Ab-18-Guckern das Lachen kurz im Hals stecken bleiben. Etwa wenn Hit-Girl ohne besonderen Grund, aber mit einem kecken One Liner auf den Lippen einen unschuldigen Pagen wegpustet, eben weil man das, na ja, nun mal so macht in Actionfilmen. In einem nicht jugendfreien Akt ausgleichender Gerechtigkeit bekommt sie dafür aber auch so richtig auf die Fresse, und zwar von eben jenem Gangsterboss, der irgendwann ganz eindeutig die Schnauze voll hat von diesem Affentheater. Und damit meine ich nicht “Er verpasst ihr eine kleine Schelle”, sondern “Er schlägt einem minderjährigen Mädchen mit der geballten Faust ins Gesicht. ZWEI MAL”. Niemand hier heißt Gewalt gegen Kinder gut. Aber es zeugt vom Selbstbewusstsein und der Kompromisslosigkeit der Macher, sich auch vor solch heiklen Einstellungen nicht zu drücken. Sterile Hollywood-Action gibt’s woanders, hier werden nun mal Ärsche getreten. Auch minderjährige.

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Man muss kein überbesorgter Sittenwächter sein, um in “Kick-Ass” durchaus medienkritische Ansätze zu finden. Die mittlerweile aus dem Trailer bekannte Szene, in der Kick-Ass halb tot geprügelt wird, während Dutzende von Gaffern Handyvideos von der Schlägerei drehen, um sie dann bei youtube hochzuladen … die ist wahrscheinlich realistischer und wahrhaftiger als die gesamten zweieinhalb Stunden von “The Dark Knight”. Das ist witzig, weil es so lebensecht ist, aber genau deswegen auch beklemmend. Ein ganz kleines bisschen. Bis es wieder witzig wird, was im Schnitt alle 2,3 Minuten passiert.

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Heiliger Wortdurchfall, Batman – dieser Text ist schon viel zu lang! Doch vor der sehr nachdrücklichen Anguck-Empfehlung möchte ich noch auf zwei kleine Dinge eingehen, die aus einem guten Film einen großartigen Film machen: Zum einen die unzähligen Anspielungen, Zitate und Querverweise auf die einzige Kultur, in der wir uns bestens auskennen – die Popkultur. Allein das Wort schon! “Kick-Ass” spielt quasi im Sekundentakt auf bekannte Comichelden an, versteckt in jedem zweiten Bild Hinweise auf Videospiele (“Bloodrayne”-Poster an der Wand? Check!) und verneigt sich augenzwinkernd vor den größten Nerd-Filmen der letzten Jahre – von “Kill Bill” über “28 Wochen später” bis hin zu jenem Streifen, der Toby Maguire in gewissen Kreisen zur meistgehassten Person auf dem Erdball gemacht hat. Und zwar zu Recht. Jesus, seht euch nur diesen kleinen Scheißer an.

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Und außerdem gebühren mal ganz dicke Nerd-Props dem undisputed master of overacting, Nicolas “Not the Bees!!!” Cage. In “Kick-Ass” spielt er nämlich als Batman-Verschnitt zu wahrer Hochform auf. Nicht nur, dass er mit Kassengestell und Porno-Schnauzer grandios dämlich aussieht, er hat auch genau denselben, unerträglich belehrenden Schlaumeier-Tonfall drauf wie Adam West in der Batman-Serie aus den 60ern. Dieses kleine Detail wird vermutlich in der deutsch synchronisierten Fassung völlig untergehen, unterstreicht aber nochmals die Liebe und den Respekt, die “Kick-Ass” von der ersten Einstellung an durchziehen. Ja, es ist ein nerdiger Gag in einem nerdigen Film für Nerds – und genau das macht ihn so großartig.

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Aufmerksame Leser werden es zwischen den Zeilen bereits gemerkt haben – für mich ist “Kick-Ass” die erste wirkliche Überraschung des neuen Kinojahres, der ultimative Geek-Film und der Beweis, dass Herzblut und Seele immer noch wichtiger sind als fette Budgets und keksärschige Teenie-Stars in der Hauptrolle. Klar, die angesprochenen Gewalt-Sequenzen sind sicherlich nicht ganz unproblematisch und viele Menschen werden den Film (un-)gewollt sehr falsch verstehen. Aber für die ist “Kick-Ass” schlichtweg nicht gemacht. Sondern für uns gewaltgeile, spätpubertäre Medienkinder, die ganz tief drinnen einmal so cool sein wollen wie die gezeichneten Helden unser Jugend. Vielleicht ist es das größte Verdienst von “Kick-Ass”, dass einem diese Selbsteinschätzung für anderthalb Stunden nicht peinlich vorkommt. Eher im Gegenteil.

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Hierzulande startet “Kick-Ass” am 22. April. Genug gesagt. Begeht nicht den Fehler und ignoriert diese Perle, nur weil Hugh Jackman nicht mitspielt. Wie Kick-Ass selbst es schon ganz richtig sagt: “With no power comes no responsibility.”

Kennt ihr den Original-Comic? Freut ihr euch auf “Kick-Ass” oder habt ihr keinen Bock mehr auf Superhelden-Filme? Vorfreude, persönliche Erwartungen und genaueste Analyse des Trailer gehören nur an EINEN Ort: Den Kommentarbereich. Hua!