Es kommen immer wieder mal Filme raus, da fragt man sich “muss das wirklich sein”?
Als ich hörte, dass Ridley Scott (“Gladiator”) mit Russell Crowe an einer neuen Umsetzung der berühmten Helden-Sage arbeitet, hatte ich gemischte Gefühle. Einerseits bin ich großer Fan von “Gladiator”, der seinen Platz in meiner All-Time Top 10 sicher hat. Andererseits kann mir eine erneute Umsetzung vom König der Diebe nur ein müdes Lächeln entlocken. Wurde zum Thema Robin Hood nicht schon alles gesagt?

Da gibt es als wohl bekanntesten Vertreter den zwar etwas in die Jahre gekommenen, aber auch heute noch durchaus unterhaltsamen “Robin Hood – König der Diebe” mit Kevin Costner als leichtfüßigen Bogenschützen und Morgan Freeman als Sidekick. Da gibt es natürlich den Errol Flynn-Klassiker von 1938 “Robin Hood, König der Vagabunden”, der mit drei Oscars ausgezeichnet wurde. Nicht zu vergessen einer der besten Disney Trickfilme überhaupt “Robin Hood” aus dem Jahre 1973. Nicht unerwähnt bleiben darf natürlich “Robin und Marian” (1976) mit Sean Connery als etwas ältere Version von Robin Hood mit Audrey Hepburn als Lady Marian.Und schließlich gibt es, vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch, die sogar ziemlich gute Serie aus den 80ern, die hier simpel unter dem Namen “Robin Hood” in der ARD lief und im Original auf den Namen Robin of Sherwood" hört. Und von Mel Brooks’ großartiger Parodie “Robin Hood – Helden in Strumpfhosen” fang ich erst gar nicht an. Die Geschichte vom Rächer der Enterbten wurde also schon zahlreich und in allen erdenklichen Varianten verfilmt. Und die genannten sind dabei nur die bekanntesten Verfilmungen.

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Gibt es da wirklich noch Bedarf an einer weiteren Erzählung? Zumindest dieser Problematik war sich wohl auch Ridley Scott bewusst, der mit seiner Version daher eine Art Prequel für die bekannte Legende erschaffen hat.
So erzählt er die Geschichte von Robin Longstride, der sich als tapferer Kämpfer und begnadeter Bogenschütze mit König Richard Löwenherz auf den Kreuzzügen durch Europa befindet. Nach dem Tod von Löwenherz nimmt er die Identität des verstorbenen Robert Loxley an und kehrt mit einer handvoll Wegbegleiter nach England zurück. Dort übernimmt Löwenherz’ kaltblütiger Bruder Prinz John das Amt des Königs und herrscht mit Schrecken über das Land. Robin und seine Gefährten lassen sich in Nottingham nieder, wo der korrupte Sheriff von Nottingham (Matthew Macfadyen) das arme Bauernvolk ausbeutet. Und als ob das alles noch nicht genug wäre, plant auch noch König Philip von Frankreich mit Hilfe des fiesen Überläufers Sir Godfrey (Mark Strong) die Invasion auf das Königreich. Es gibt also eine Menge zu tun für Russelll Hood, der nebenbei auch noch die Liebe der Lady Marian (Cate Blanchett) für sich gewinnen will.

Eigentlich klingt das nach genug Stoff, um den Zuschauer für die veranschlagten 140 Minuten zu fesseln. Eigentlich. Denn leider ist der Film unterm Strich eher langweilig und wirkt stellenweise sogar richtig unmotiviert zusammengeschustert. Wenn es am Ende dann heisst “And so the legend begins”, wünscht man sich tatsächlich den Film zu sehen, der damit angekündigt wird und sehnt sich insgeheim genau nach den bereits bekannten und vielfach verfilmten Robin-Hood-Geschichten zurück. Zu belanglos ist das vermeintliche Abenteuer, auf das Ridley Scott seine Zuschauer schickt. Zu manifestiert sind die Geschichten von Robin Hood, als dass ich ohne weiteres akzeptieren könnte, dass Russell Crowe in diesem Film älter ist als seiner Zeit Sean Connery in “Robin und Marian”. Auch Cate Blanchett, so schön sie für ihr Alter sein mag, geht nur schwerlich mit meiner Vorstellung der Jungfer Marian konform. Aber das sind eher subjektive Probleme, die mir ein Eintauchen in diese Welt erschwert haben. Objektiv gesehen kommt man aber nicht herum, Ridley Scott eine gewisse Faulheit zu attestieren. Nahezu jede Szene, möge sich auch noch so episch anmuten, erinnerte mich bereits an andere Filme. “Braveheart”, “Der Soldat James Ryan” (die letzte Schlacht sieht wie ein mittelalterliches Remake der Eröffnungs-Sequenz aus), “Gladiator”, “Troja”, “Herr der Ringe” und wie sie alle heißen. Irgendwie bietet der Film erschreckend wenig neues und wirkt wie ein Mix aus nachweisslich erfolgreichen Zutaten, dem deshalb auch der eigene Geschmack abgeht.

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Dazu kommt noch, dass der Film die Ernsthaftigkeit eines Gladiators über weite Strecken vermissen lässt. Der Film ist erstaunlich blutarm und hat mich ein ums andere Mal mit seinen kindischen Gags und der stellenweise unfrewilligen Komik (kleine Kinder reiten auf Ponys in die letzte Schlacht… wtf?) sogar an “Ritter der Kokusnuss” erinnert.
Zwischen den, zugegeben sehr hübsch inszenierten, Massenschlachten muss der Zuschauer ein tiefes Tal an Langeweile durchqueren und den Machenschaften von Königen, Bauern und Verrätern lauschen, ohne sich wirklich dafür zu interessieren. Ständig wünscht man sich endlich mal Robin Hood in Aktion zu sehen, doch der reitet lieber mit Marian über die Felder und tanzt mit seinen Gefährten in der Taverne.
Überhaupt sind die “Merry Men”, also Bruder Tuck, Little John und Will Scarlet nur Randerscheinungen und spielen im Film, ebenso wie der Sheriff von Nottingham, kaum eine Rolle. Das mag zwar im Kontext Sinn machen, schließlich handelt es sich ja um ein Prolog der bekannten Geschichte, aber unterm Strich hilft das dem Film trotzdem nicht weiter.

Dass sich “Robin Hood” den Vergleich zu “Gladiator” gefallen lassen muss, war von vorneherein klar. Ebenso, dass er dagegen abstinken wird. Umso verwunderlicher ist, dass Ridley Scott das Rezept seines Oscar-Erfolges nicht mal ansatzweise wiederholen konnte. Zu belanglos sind die Charaktere. Zu viele Personen werden beiläufig erwähnt, ohne ihnen eine wirkliche Daseinsberechtigung zu geben. Das schlimmste aber ist, dass man sich zu keinem Zeitpunkt mit Crowes Charakter so identifiziert, wie damals mit Maximus. Das liegt auch daran, dass der Film für ein jüngere Zielgruppe konzipiert wurde. Szenen wie die aus “Gladiator”, wo Maximus seine erhängte Frau und seinen erhängten Sohn vorfindet und damit eine nachvollziehbare Motivation für den Helden schafft, sucht man in “Robin Hood” vergebens. Auch ein kongenialer Widersacher wie Commodus geht dem Film ab. Diese Lücke versuchte Scott mit gleich zwei Gegenspielern, Mark Strong als Sir Godfrey und Oscar Isaac als Prinz John, zu schließen, aber leider vermag es keiner der beiden auch nur annähernd in die Fußstapfen von Joaquin Phoenix zu treten.

So bleibt ein mäßig unterhaltsamer, zumindest visuell ansprechender “Robin Hood”-Film, der mit eigentlich keinem der Vorbilder mithalten kann. Da hilft das Star-Ensemble auch nur bedingt weiter. Hätte Scott den Film nach seinem Arbeitstitel benannt, wäre zumindest die Erwartungshaltung eine andere gewesen. Der Arbeitstitel war: Nottingham.

Wenn man als Journalist erst wenige Tage vor dem offiziellen Kinostart eines Films zur Pressevorführung eingeladen wird, ist das meist ein schlechtes Zeichen. Entweder der Verleih hat bis dahin kräftig auf die Hype-Trommel gekloppt und will die Anspannung bis zum letzten Moment aufrecht halten. Oder der entsprechende Film ist schlichtweg nicht sonderlich gut und die Verleihfirma möchte sich nicht schon Wochen oder gar Monate vor dem Starttermin miese Kritiken einfahren. Ratet mal, was bei “Robin Hood” zutrifft.

Et tu, Ridley Scott? Nach Martin Scorsese (“Shutter Island”) und Tim Burton (“Alice im Wunderland”) stürzt das nächste ehemalige Regie-Wunderkind in die Niederungen gefälligen Durchschnitts ab und lässt nur noch gelegentlich sein Genie durchblitzen. Scotts Robin Hood, leidenschaftslos verkörpert vom alten Hitzkopf und ewigen Gladiator Russell Crowe, kämpft erfolglos gegen eine überfrachtete Story, die natürlich “ganz anders” ist als in bisherigen Verfilmungen. Anders vielleicht – aber lange nicht besser.

Immerhin: Die Idee, die weitgehend unbeachtete Vorgeschichte des Sir Robin Loxley zu erzählen, ist keine schlechte. Was trieb der Rächer der Armen und Schwachen eigentlich, bevor er zum Gesetzlosen wurde? Waren er und Little John schon immer so dicke Kumpels? Und was hat der Sheriff von Nottingham bloß für ein Problem mit Robin Longstride, der als Robin Hood in die englische Folklore eingehen sollte? Viel Stoff für menschliches Drama, große Gefühle, hoch emotionale Szenen zwischen Blutsbrüdern, die füreinander in den Tod gehen würden. Doch Regisseur Ridley Scott geht lieber auf Nummer Sicher und liefert, was das Publikum (vermeintlich) sehen will: Pathos an der Grenze zum Kitsch und hektisch geschnittene Kampfszenen in typischer Pseudo-Realismus-Reißschwenk-Optik.

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Doch was bei “Gladiator” noch famos funktionierte (und Ridley Scott sehr zu Recht fünf Oscars bescherte), verkommt bei “Robin Hood” zu einer belanglosen Abfolge von Einzelsequenzen, die man gefühlt schon ein paar hundert mal gesehen hat. Da hilft es auch nicht viel, dass sich ein paar absolute Spitzenschauspieler in die historischen Kostüme gezwängt haben: “Kick-Ass”- Bösewicht Mark Strong gibt den schön durchtriebenen Schurken Godfrey, Max von Sydow bringt ein bisschen großväterliche Wärme als blinder Adeliger ans Set und aufmerksame “Lost”-Junkies freuen sich über die Besetzung von Kevin “Keamy” Durand als hühnenhaften Haudrauf Little John. Und dann haben wir natürlich noch die großartige Cate Blanchett als Lady Marian, eine Art mittelalterliches Superweib und Robin Hoods Love Interest. Nur blöd, dass ausgerechnet Marian die langweiligste und ärgerlichste Figur des ganzen Films ist.

Schon klar, da wollten uns die Drehbuchschreiber eine starke, unabhängige Frau zeigen, die ihre Verletzlichkeit und ihre Sehnsucht hinter einer spröden Fassade verbirgt, also wenn DAS mal nicht eine total glaubwürdige Frauenfigur ist! Aber weil “stark” und “unabhängig” für Frauen in Hollywood bedeutet, wie ein Mann behandelt zu werden, darf Marian im großen Endkampf an Robin Hoods Seite stehen. Und nein, das ist kein Spoiler – wem das nicht ab dem allerersten Treffen zwischen den beiden klar ist, nennt Kinos vermutlich noch Lichtspielhäuser. Und bei einem eher mythologischen denn historischen Stoff wie der Sage von Robin Hood muss man auch nicht miesepetrig jede Einstellung auf Realismus abklopfen – schlussendlich ist es ja nur ein großes Abenteuer. Trotzdem möchte ich mal vorsichtig auf den extrem hohen Schwachsinns-Faktor des Finales hinweisen. Was genau soll eine zierliche Mittvierzigerin, die die letzten zehn Jahre auf dem Feld gearbeitet hat, in einer Massenschlacht ausrichten? In einer gut und gerne 20 Kilo schweren Rüstung? Auf einem verdammten Pony? In Hollywood ist das keine Garantie für einen sinnlosen (und absolut verdienten) Tod, sondern für schwülstigen Action-Quark, in dem eine Frau endlich ihre wahre Bestimmung findet und so richtig ihren Mann steht. Gibt es da wirklich noch Frauen oder Mädchen, die bei so einer sexistischen Groteske jubeln?

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Wirklich schade, dass Scotts Robin Hood so blaß, austauschbar und nichtssagend geworden ist. Nicht katastrophal schlecht, nur eben belanglos. Vielleicht liegt’s am Alter, vielleicht an den zahlreichen Skript-Änderungen, vielleicht am schlechten Wetter in England, keine Ahnung – aber die rund zweieinhalb Stunden machen zu jeder Zeit den Eindruck, als sei Ridley Scott gedanklich schon beim nächsten Projekt und wollte nur endlich dieses elende Großunternehmen namens “Robin Hood” hinter sich bringen. Am Ende des Films verkündet eine Texttafel, dass nun erst die Sage beginne. Aber irgendwie habe ich das maue Gefühl, schon alles gesehen zu haben.

Ich glaub, heute Abend schau ich mir noch mal “Gladiator” an. Und sehne mich nach einer besseren Zeit zurück, als Scott und Crowe aus einem Mythos noch ein Kino-Märchen machen konnten.

“Robin Hood” startet am 13. Mai in Deutschland. Gebet acht und checket den Trailer aus, fürwahr!