Die Leiden der jungen Vita
Vor zwei Monaten haben wir euch zum Launch der PS Vita das Gerät hier im Blog und in der Sendung vorgestellt. Jetzt möchten wir uns noch mal anschauen, wie sich die Vita auf dem Markt etabliert hat – oder vielleicht auch nicht. Mittlerweile hat wahrscheinlich jeder von euch schon mal aus der einen oder anderen Quelle eine Negativmeldung rund um das Teil gehört.
Das Hauptproblem ist schnell umrissen: Die Vita verkauft sich im Moment nicht besonders gut. Nach starkem Start sind die Verkaufszahlen ebenso stark zurückgegangen. Es hat sich gezeigt, dass Sony und die Dritthersteller es zum Start des Handhelds etwas zu gut meinten: Mit exklusiven Spielen wie “Uncharted: Golden Abyss”, “Wipeout 2048”, “Lumines: Electronic Symphony” und “MotorStorm: RC”, aber auch mit hochwertigen Portierungen wie “Rayman Origins” und “Virtua Tennis 4” gab es mehr Starttitel, als die meisten Spieler sich kaufen wollten oder konnten. Und dann? Kam fast nichts mehr. Schicht im Modulschacht.
Da gab es Anfang März “Unit 13”, einen Shooter, der okay war, Sonys Erwartungen offenbar aber auch nicht komplett erfüllen konnte – das verantwortliche Entwicklerstudio Zipper Interactive existiert mittlerweile nicht mehr. “Lego Harry Potter: Die Jahre 5-7”? Ein schwacher Port, näher am PSP- als am PS3-Bruder. Das Vita-Debüt der berühmt-berüchtigten “Mortal Kombat”-Reihe ist in Deutschland erst gar nicht erschienen.
So kam es kurioserweise einem absoluten Nischentitel zu, das bisher beste Vita-Spiel der Post-Launch-Zeit zu werden: “Disgaea: Absence of Detention” ist zwar auch nur eine dezent erweiterte Umsetzung eines PS3-Strategiespiels, aber dennoch sehr gut. Hier könnt ihr euch über 100 Stunden lang an Rundenschlachten in einer erfreulich unernsten Fantasy-Welt versuchen. Das Genre interessiert erfahrungsgemäß nur einen Bruchteil von euch, eben dieser Bruchteil wird an “Absence of Detention” aber seine helle Freude haben. Ich gehöre leider nicht (mehr) zu den größten Fans japanischer Rundenstrategie. Und so haben meine Vita und ich uns ein wenig aus den Augen verloren. Weil ich schlicht nicht mehr weiß, was ich auf ihr spielen soll. Die Vorschau-Version von “Resistance: Burning Skies”, das Anfang Juni erscheinen wird, hat mich unlängst effektiv von der Vorfreude auf das Spiel geheilt. Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen: Ihr solltet hier keinen großen Shooter erwarten, der an die PS3-Vorgänger heranreicht. Definitiv nicht.
Dass das von “Silent Hill”-Fanboys bereits inbrünstig verfluchte und mehrfach verschobene “Silent Hill: Book of Memories” wirklich in den nächsten Wochen erscheint, glaube ich noch nicht so richtig. Sicherer ist der Juni-Start von “Gravity Rush”, diesem Gravitations-Geschichlichkeits-Action-Rollenspiel, von dem ich eigentlich nicht viel Konkretes weiß. Aber jeder, der es schon gespielt hat, freut sich darauf, also freue ich mich mit. Ende Juni gibt‘s dann noch die “Metal Gear Solid HD Collection”. Kenn ich doch schon. Und “Lego Batman 2”. Das ich auch schon kenne, obwohl ich es noch nie gespielt habe. Die 794 oft sehr ähnlichen “Lego”-Spiele der letzten Jahre haben mich mürbe gemacht.
Habt ihr den großen System-Seller in der Aufzählung der demnächst kommenden Spiele bemerkt? Nein? Ich auch nicht. Sony sollte schnellstmöglich “LittleBigPlanet” fertigstellen. Und dann müssen große Dritthersteller-Spiele wie die bereits angekündigten Ableger der Erfolgsserien “Assassin‘s Creed”, “BioShock” und “Call of Duty” her. Nicht, dass ich unfassbar viel Bock auf ein “Modern Warfare” oder “Black Ops” auf der Vita hätte. Aber es wird – zumindest in Europa und den USA – Hardware bewegen. Und mehr verkaufte Geräte bedeuten irgendwann auch mehr Software. Im Moment befindet sich die Vita in der unschönen Situation, schon vor dem Scheitern zu stehen, bevor der Spaß richtig begonnen hat. Dass diverse Händler das Handheld schon kurz nach dem Start mit erheblichen Preisnachlässen rausgehauen haben, ist schön für die Konsumenten, für die Vita langfristig aber doof. Potenziellen Kunden ist schwer zu erklären, warum sie nach einer Preissenkung – und war sie noch so kurz – wieder die UVP bezahlen sollten. In der Folge holen sie sich das Gerät unter Umständen trotz Kaufinteresse nicht, bevor der Preis wieder gefallen ist.
Sony könnte dem mit einer offiziellen Preissenkung entgegenwirken, allzu viel dürfte am Preis aber nicht zu drücken sein. Zumindest bei den überteuert erscheinenden Speicherkarten sollte Sony aber schnell reagieren. Selbst für Download-Abstinenzler sind die kleinen Kärtchen zum Speichern von Spielständen bekanntlich Pflicht. So manchen weniger gut informierten Vita-Käufern dürfte das im Laden aber verborgen geblieben sein. Eine 4- oder 8-GB-Karte sollte Sony zur Standardausstattung machen.
Ein früher Vita-Tod wäre eine unfassbare Schande um die großartige Hardware. Ich habe nahezu alle mobilen Spielgeräte zuhause, aber die Vita hat Potenzial für Spiele, die so nur auf ihr möglich sind. Bei einem “Uncharted: Golden Abyss” merke ich wieder, wie mir auf iPhone und anderen Touch-Geräten “echte” Buttons und Analog-Sticks fehlen. Und ein 3DS schaut trotz einzelner schicker Titel wie “Kid Icarus: Uprising” dumm aus der Grafikwäsche, wenn die Vita ihre Muskeln spielen lässt.
Sony bleibt das aktuelle Dilemma um den spärlichen Software-Nachschub natürlich nicht verborgen. Darum werden im PlayStation Store immer wieder PSP-Spiele reduziert, die man auf die Vita herunterladen und dort zocken kann. So gibt es regelmäßig echte Perlen für unter 10 Euro. Und ein PSP-“God of War” sieht auch auf der Vita noch fein aus. Ein Ersatz für dezidierte neue Vita-Spiele sind PSP-Schnäppchen aber nicht. Sony will auf diese Art und Weise eventuell enttäuschte Vita-Besitzer bei Laune halten. Zusätzliche Hardware wird durch verbilligte Oldies freilich nicht verkauft.
Ein weiteres, ganz wesentliches Kapitel aus Sonys Backkatalog können Vita-Besitzer zudem noch gar nicht lesen: Nach wie vor ist es nicht möglich, PSone-Klassiker auf der Vita zu starten, obwohl selbst die PSP die alten Schinken bereits seit Jahren abspielen kann. Eine seltsame und unnötig erscheinende Macke, die symptomatisch ist für die bisherige Vita der Vita.