Es folgt der letzte Teil meiner kurzen Geschichte der Videospiele. Wir befinden uns bei der letzten Konsolengeneration, bei der SEGA noch als Hardware-Hersteller fungierte. Außerdem mauserte sich Sony zu einer Konsolen-Großmacht, während Nintendo mit dem N64 auf ein aussterbendes Medium setzte.

Der Erfolg der PlayStation veränderte das Standing der Videospiele. Sonys Konsole schaffte, was bislang keiner anderen Konsole gelangt: Sie machte Videospiele “cool” und vor allem auch für eine ältere Zielgruppe interessant. Fairerweise muss man sagen, dass die PlayStation wohl niemals so erfolgreich gewesen wäre, wenn sie nicht auch das Thema Raubkopien wieder zurück auf die Karte gebracht hätte. Durch einen einfachen Wechseltrick (alternativ auch einen Umbau mit Mod-Chip), war es möglich, auf CD-Rom gebrannte Spiele zu spielen. Auch wenn Sony mit immer wieder neuen PlayStation-Versionen dagegen hielt, wurde die PlayStation zu einem Königreich für Raubkopierer. Es gibt nicht wenige Experten die glauben, dass Sony nicht wirklich so viel dagegen hatte, denn die PlayStation mauserte sich in Rekordzeit zum neuen Marktführer.
Die Raubkopien waren u.a. auch ein Grund, warum sich Nintendo entschied, bei ihrer neuen Konsole weiterhin auf Module zu setzen. Vor dem Release des Nintendo 64 verging kaum ein Tag, an dem man bei Nintendo nicht darauf hinwies, welche Vorteile Cartridges doch gegenüber CDs hätten: Keine Zusatzkosten durch Memory Cards, keine Raubkopien, keine Ladezeiten, kein Verschleiß usw.
Vor allem dachte Nintendo wohl, dass dadurch auch die 3rd Party-Entwickler auf Nintendos neues Flagschiff setzen würden. Wie man sich doch irren kann.

1996 – Project Reality – Das Nintendo 64

Nachdem sich Sony und Nintendo eher schlecht als recht von ihren gemeinsamen Konsolen-Plänen trennten, wurden sie zu erbitterten Konkurrenten. Was ursprünglich als Super Nintendo CD-Rom erscheinen sollte, wurde zur Sony PlayStation und was ursprünglich eine Partnerschaft zwischen SEGA und Silicon Graphics (SGI) werden sollte, wurde letztendlich der Super Nintendo- Nachfolger: Das Nintendo 64.
Das N64 war die erste “echte” 64-Bit Konsole, wenngleich auch der Atari Jaguar als 64-Bit Konsole vermarktet wurde. Im Gegensatz zum Jaguar arbeitete im N64 aber tatsächlich ein 64-Bit-Prozessor (im Jaguar waren zwei 32-Bit-Prozessoren aktiv).
Bereits Monate vor der Veröffentlichung tauchten erste vermeintliche Bilder von Spielen auf. Die Bilder sahen so gut aus, dass an ihrer “Echtheit” gezweifelt wurde. Auch deshalb nutzte Nintendo den Hype und spielte entsprechend damit, als sie die neue Konsole unter dem Pseudonym “Project Reality” anpriesen. Später wurde der Projektname “Ultra 64” benutzt und der Hype weiter geschürt.
Als wichtigster Partner für das N64 sicherte sich Nintendo die Dienste der britischen Spieleschmiede “Rare” (damals noch bekannt als “Rareware)”, mit denen sie bereits das unglaublich erfolgreiche “Donkey Kong Country” (SNES) rausbrachten. Rare arbeitete bereits eng mit SGI zusammen, mit deren Render-Kits sie die Grafiken für “Donkey Kong Country” und “Killer Instinct” bastelten. Nicht zuletzt auch deswegen erwartete man von Nintendos neuer Konsole in gewisser Weise Wunderdinge, wenngleich schon früh im Vorfeld an der Realisierbarkeit, nicht zuletzt wegen dem Speichermangel der Module, gezweifelt wurde.
Doch Nintendo hatte noch viel größere Probleme. Da SEGA mit dem Saturn schwächelte und die Kunden nach und nach vergraulte und die Entwicklung des N64 sich hinzog, konnte Sony mit der PlayStation fast 1,5 Jahre alleine den Markt beherrschen. Die Sony- Hardware verkaufte sich wie geschnitten Brot und Nintendo verlor seine Vormachtstellung gegenüber den 3rd Party-Entwicklern. Was einst der Garant für Nintendos Hegemonie war, schien sich langsam aufzulösen. Am deutlichsten wird das am Beispiel von “Squaresoft” (heute “Square Enix”), die alle ihre Spiele auf Nintendo-Konsolen rausbrachten und mit Nintendo Brüder im Geiste waren.

Der Bruch mit Squaresoft

Es gibt leider nur wenige offizielle Quellen, die genau belegen was die Gründe für den Bruch der Partnerschaft von Nintendo und Squaresoft waren. Fakt ist allerdings, dass es nicht nur eine Sache war, sondern sich über einen langen Zeitraum anbahnte. Erste Auseinandersetzungen begannen bereits Anfang der 90er Jahre, als sich Nintendo weigerte, Squaresoft bessere Cartridges für ihr neues RPG “Romancing Sa-Ga” zu geben. Wenige Monate später erhielt Squaresofts damaliger Hauptkonkurrent “Enix” genau diese Module für “Dragon Quest V”. Das gleiche wiederholte sich erneut, als es um den Release von “Final Fantasy 6” ging, wo Nintendo die 32Mbit-Cartridges exklusiv an Enix vergab, während Squaresoft weiterhin mit 24 Mbit auskommen musste.
Square entwickelte ebenfalls bereits “Seiken Densetsu 2” (“Secret of Mana”) für das damals geplante SNES CD-Rom (siehe Teil 4), das als Launchtitel erscheinen sollte. Als Nintendo die Pläne für die SNES-Erweiterung über Bord warf, war Square gezwungen das Spiel wieder auf normale SNES-Module zu trimmen.
Auch wenn das sicherlich im Endeffekt nicht die Hauptauslöser für den großen Bruch waren, so kann man sagen, dass Nintendo in diesen Jahren zumindest viel Kredit bei Square verspielt hatte.
Im August 1995 präsentierte Square auf der SIGGRAPH Convention in Los Angeles eine Grafikdemo, die drei SGI-gerenderte 3D-Charaktere aus Final Fantasy VI zeigte. Für die Fachwelt und die Presse war klar, dass es sich dabei um den neuen “Final Fantasy”-Teil für Nintendos neue Konsole handeln würde, zumal Square für die Entwicklung von “Final Fantasy SGI die gleichen Onyx-Workstations benutzte, die für die Entwicklung von Nintendo 64-Spielen benutzt wurden.

Die Final Fantasy SGI-Techdemo (Achtung miese Qualität):

Doch bereits im Januar 1996 kam dann der Schock: Square kündigte “Final Fantasy VII” exklusiv für Sonys PlayStation an! Es war eine der spektakulärsten und geschichtsträchtigsten Entscheidungen in der Geschichte der Videospiele, deren Auswirkung enorm war. “Final Fantasy VII” verkaufte bis heute über 10 Millionen Einheiten und machte die PlayStation zum unangefochtenen Marktführer.
Offiziell sagte “Final Fantasy”-Schöpfer Hironobu Sakaguchi, dass “Final Fantasy VII” niemals für das N64 geplant war und die gezeigte Techdemo nur ein Test gewesen sei, wie ein “Final Fantasy” in 3D aussehen könnte. In einem Interview mit dem Magazin “Playstation Underground” sagte er folgendes:

Hironobu Sakaguchi:
The SGI demo was an experiment meant to show what a 3D RPG could look like. There had never been concrete plans to create a Final Fantasy VII for the N64, and if anything, creating the SGI Demo was part of what convinced the FF team that their vision couldn’t be accomplished with Nintendo’s hardware.

Als offizieller Grund für den Release von “Final Fantasy VII” für die PlayStation gilt bis heute, dass Square für ihre Vision mehr Speicherplatz brauchte als die N64-Module boten. Tatsächlich wurde “FFVII” dann auch auf drei CDs ausgeliefert. Soviel Speicherplatz wie 30 N64-Module.

Zum Pech von Nintendo folgten diesem wegweisenden Beispiel sehr viele 3rd Party-Entwickler, wie zum Beispiel auch Enix oder Konami. Die PlayStation mauserte sich zur Rollenspiel-Konsole Nummer 1, also genau das, was eigentlich das Super Nintendo einst war. Nintendo verlor nicht nur Square und andere exklusive Partner an Sony, sondern auch den japanischen Markt, wo Rollenspiele das dominierende Genre sind.

Dass das Nintendo 64 überhaupt eine Daseinsberechtigung hatte, lag fast ausschließlich an Nintendos starken Franchise-Titeln, namentlich dem richtungsweisenden “Super Mario 64” und dem ebenso genialen “Zelda: Ocarina of Time”, sowie den starken Titeln von Rare, allen voran ein hierzulande indizierter Agenten-Egoshooter. Der überragende Erfolg von exklusiven PlayStation-Titeln wie “Final Fantasy VII” oder “Metal Gear Solid” machte Nintendo trotz ordentlicher Hardware-Verkaufszahlen zu schaffen. Bis auf Acclaim und Midway gab es von 3rd Party-Entwicklern kaum noch Support. Zumindest die Perlen der Entwickler wurden alle für die PlayStation rausgebracht. Das Nintendo 64 verkaufte sich weltweit knapp 33 Millionen mal. Sony verkaufte mehr als drei mal so viele PlayStation-Konsolen.

Aus Fehlern lernt man – Eine Chance für die Zukunft

Die Entscheidung von Nintendo, auf Module statt auf CDs zu setzen, ist wohl der größte Fehler der gesamten Firmengeschichte gewesen. Die Module waren wesentlich teurer in der Herstellung und damit auch im Verkauf, als vergleichbare Saturn- oder PlayStation-Titel. Sie boten maximal ein Zehntel der Speicherkapazität einer CD-Rom, weshalb die Entwickler gezwungen waren, Spiele mit hässlichen Texturen zu entwickeln und auf “state of the art”-Dinge wie “Full Motion Video Sequenzen” und CD Sound zu verzichten. Ultimativ verlor Nintendo dadurch den wichtigsten Partner für den japanischen Markt, Square, sowie unzählige weitere 3rd Party-Entwickler.

Sony, der einstige Partner von Nintendo, mit dem sie sogar schon konkrete Pläne für den Super Nintendo-Nachfolger schmiedeten, war es, der Nintendo bis zum Release der Wii vom Videospiel-Thron kickte. Auch der N64-Nachfolger GameCube konnte trotz Disc-Technologie den Vorsprung von Sony nicht mehr aufholen. Die PlayStation 2 wurde sogar noch erfolgreicher als ihr Vorgänger, während der Nintendo-Würfel sogar unter dem N64 performte (was weltweite Verkaufszahlen angeht).
Doch wie so oft, zwingen Niederlagen eine Firma auch zum Umdenken. Weil Nintendo es leid war, Sony oder später auch Microsoft hinterherzulaufen, besann man sich wieder auf seine alten Tugenden. Innovation und starke Marken. Durch den Nintendo DS und die Wii hat sich Nintendo heute wieder die weltweite Marktherrschaft zurückgeholt. Jetzt sind es Sony und Microsoft, die wieder in Zugzwang gekommen sind.
Ein “Final Fantasy”-Teil ist hingegen nie wieder für eine Nintendo-Konsole erschienen und bislang auch nicht angekündigt…

Der erste Werbespot für Mario 64 zum Launch des N64. Nett auch der Claim “Change the System”, in Anspielung auf die PlayStation:

Ein richtig schlimmer Werbespot aus den USA zum Weihnachtsgeschäft 1998:

Der wohl beste Werbespot zu Super Smash Bros. 64:

SEGA Dreamcast – Eine Perle zum Abschluss

Wie schon im letzten Teil angesprochen, hatte Bernard Stolar von Anfang an kein Interesse mehr am Saturn. Er sollte mit einer neuen Konsole SEGA wieder zu einem konkurrenzfähigen Hardware-Anbieter machen. Stolars kompletter Antrieb galt dieser neuen Konsole. Diesmal wollte SEGA alles richtig machen. Die neue Konsole sollte ein üppiges Spiele-Lineup bieten, einfach zu programmieren sein, einen guten 3rd Party-Support bekommen und besser vermarktet werden. Kurz: Man wollte aus den Fehlern mit dem Saturn lernen.
Um die beste Option für eine Hardware zu finden, wurden sogar zwei unterschiedliche Teams mit der Konzeptionierung und Entwicklung der neuen Hardware beauftragt. Wie bei SEGA typisch, waren die beiden Lager aufgeteilt in Japaner und Amerikaner. In den USA arbeitete die Firma “skunk works” an der neuen Hardware unter dem Projektnamen “Blackbelt” (später “Dural”), während in Japan ein Team um SEGA-Entwickler und Mega Drive-Erfinder Hideki Sato erste Entwürfe unter dem Projektnamen “Katana” ausarbeitete. Die Amerikaner setzten dabei auf Grafik-Power aus den USA, namentlich 3Dfx, die mit ihrer Voodoo 2-Grafik-Technologie auch den PC-Markt aufmischen sollten. Das Team von Sato hingegen vertraute auf japanische Hersteller und den einstigen Konkurrenten und Nintendo-Kolaborateur NEC, die die neue PowerVR 2 Technik lizensierten.

Ohne jetzt auf die genauen Details einzugehen, sei erwähnt, dass sich SEGA gegen 3Dfx entschied, obwohl sie sogar bereits einen Vertrag mit dem US-Grafikspezialisten unterzeichnet hatten. Natürlich folgte ein Rechtsstreit und am Ende zahlte SEGA 10,5 Millionen Dollar an 3Dfx für einen Protoypen, der nie erschien. Ein weiteres Mal in der Geschichte von SEGA fühlte sich die amerikanische Division vor den Kopf gestoßen. Die Entwicklung der 3Dfx-Hardware war weit fortgeschritten und die unterschriebenen Verträge ließen das “Blackbelt”-Team glauben, dass ihr Entwurf auch die neue Konsole stellen würde. Nachdem sich SEGA für den japanischen Entwurf entschied, kündigte fast das gesamte Research & Development-Team von SEGA of America und widmete sich anderen Aufgaben.

Zu diesem Zeitpunkt waren die 10,5 Millionen Dollar, die SEGA an 3Dfx nach einer außergerichtlichen Einigung zahlte, aber ohnehin nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Nach drei gescheiterten Konsolen und Verlusten in sämtlichen Märkten, wurde das Finanzloch von SEGA auf satte 1 Milliarde Dollar geschätzt. Laut dem damaligen CEO Shoichi Irimajiri kostete SEGA allein der Dreamcast-Launch satte 600 Millionen Dollar! In einem Interview mit dem Magazin “NextGen” erklärte Irimajiri, wie diese Zahl zustande kam: 50 bis 80 Millionen Dollar kostete die Entwicklung der richtigen Hardware, 150 bis 200 Millionen Dollar kostete die Softwareentwicklung und noch mal je100 Millionen Dollar an Marketing und PR für die drei großen Märkte USA, Japan und Europa. Wie gesagt, SEGA wollte alle Eventualitäten ausschließen und diesmal alles richtig machen. Es war kein großes Geheimnis, dass die neue Konsole über die Zukunft SEGAs entscheiden würde. Es war sowas wie die letzte Chance.
Irimajiri, der vor SEGA in der Automobil-Industrie arbeitete, sagte in einem Interview zur Dreamcast-Geschichte folgendes:

Shoichiro Irimajiri:
When I was involved in the auto industry, to launch a new car it cost US$600 million, the same as to launch this tiny machine!

Die enormen Investitionen sollten sich auszahlen. Bernie Stolar kaufte für knapp 10 Millionen Dollar die Spieleschmiede “Visual Concepts”, die heute vor allem bekannt für die Sport-Spiele der Marke “2K” sind (NBA 2K10, NFL 2K10 usw) und mittlerweile zu “Take 2” gehören.
Mit diesem Coup wollte Stolar sicherstellen, dass die für den amerikanischen und europäischen Markt so wichtigen Sportspiele gesichert sind. Stolar war überzeugt davon, dass “Visual Concepts” das Talent hatten, um EA Sports Paroli zu bieten. In der Tat sorgte die Verpflichtung von “Visual Concepts” dafür, dass EA sich weigerte, Sportspiele für Dreamcast zu entwickeln. In einem kürzlich erschienen Interview erklärt Stolar, wie es zu dem Bruch mit EA kam.
Auch sonst wurde versucht alles anders zu machen als noch vor wenigen Jahren beim Saturn. Stolar hatte sehr konkrete Vorstellungen, was die neue Konsole können sollte. So boxte er trotz der Widerstände aus Japan durch, dass die neue Konsole onlinefähig würde. Aber nicht nur das, Stolar schaffte es sogar, die misstrauischen Japaner davon zu überzeugen, dass jede Dreamcast-Konsole mit einem 56K-Modem (die PAL Variante hatte “nur” ein 33.6er-Modem) ausgestattet wurde. Stolar zollte damit der aktuellen Entwicklung auf dem PC-Spiele-Markt tribut, wo Spiele wie “Ultima: Online”, “EverQuest” oder “Quake 3 Arena” und “Unreal Tournament” erschienen, die einzig und allein auf Mehrspieler-Erfahrung setzten.
Außerdem holte Stolar keinen geringeren als Bill Gates mit ins Boot. Microsoft sollte mit einer abgespeckten Variante von WindowsCE das Betriebssystem für Dreamcast stellen. Damit wollte Stolar sicherstellen, dass es nicht wieder wie beim Saturn Probleme bei der Software-Entwicklung gibt. Microsoft hingegen konnte so erste Videospiel-Luft schnuppern. Nicht wenige Experten sind heute der Meinung, dass das Dreamcast-Betriebssystem quasi ein Trojanisches Pferd für Microsoft und die spätere Xbox waren. Natürlich nur im übertragenen Sinne. Aber zumindest begann hier der Einstieg Microsofts in die Welt der Videospiele und das erste Know-How sicherte man sich durch die Kooperation mit SEGA. Aber das ist eine andere Geschichte…

Zurück zu Bernie Stolar und der neuen Wunderkonsole:
In den 90er Jahren galt SEGA gemeinhin als arrogant. Nicht unbedingt gegenüber der Konkurrenz, sondern vor allem innerhalb der eigenen Strukturen. Während man bei der Entwicklung des Saturn nahezu jeden guten Rat ausschlug, schien es bei der Dreamcast fast so, als ob SEGA eine Strichliste hatte nach dem Motto: “Was lief falsch beim Saturn”. So arbeitete Stolar mit Hochdruck daran, ein gescheites Spiele-Lineup an den Start zu bekommen. Mit “Sonic Adventure” wurde endlich an einem neuem Sonic-Teil gearbeitet. Yu Suzuki arbeitete am richtungsweisenden “Shenmue” und mit Namco (“Soul Calibur”) holte man sich einen der wichtigsten 3rd Party-Entwickler ins Boot, die bereits der PlayStation mit der “Tekken”-Reihe zu einem Raketenstart verhalfen. Die Weichen für einen erfolgreichen Neubeginn waren also gestellt.

Launch Time

Mit Peter Moore holte man sich den entscheidenden Mann ins Boot, der die Vermarktung der Dreamcast in den USA leiten sollte. Moore kam als “Vice-President of Global Sports Marketing” von Reebok, die Ende der 90er sensationelle Erfolge feierten. Moore konnte Fußball-Stars wie Ryan Giggs, Dennis Bergkamp oder Andy Cole sowie den FC Liverpool als Werbeträger für Reebok gewinnen.
Die Einführung einer Konsole war für den ambitionierten Briten eine neue Erfahrung. Der amerikanische Launch der Dreamcast war immens wichtig. Es war der größte Markt und nach dem schwachen Start in Japan und dem angekündigten Launch der PlayStation 2 war der US-Markt die letzte große Chance für SEGA und die neue Konsole.
In Japan hatte die Dreamcast von Anfang an Probleme. Für den japanischen Launch im November 1998 waren viele Spiele noch nicht fertig. “Sonic Adventure” wurde nicht rechtzeitig fertig und konnte erst vier Wochen nach Launch ausgeliefert werden. “Shenmue” war noch über ein Jahr entfernt und mit “Virtua Fighter 3TB” wurde zwar ein guter Titel präsentiert, der aber bereits in den Spielhallen nicht an die Erfolge seiner Vorgänger anknüpfen konnte. Zu allem Überfluss hatte Chip-Hersteller NEC auch noch Probleme mit der Herstellung des PowerVR-Grafikchips. SEGA kam mit der Produktion von Konsolen nicht hinterher. Viele Japaner hatten bereits Konsolen vorbestellt und schauten am Launch-Tag in die Röhre. Gerade bei der fragilen japanischen Kundschaft kam das nicht gut an, wo SEGA nach dem Saturn-Debakel sehr argwöhnisch betrachtet wurde. Wer es wirklich ganz genau wissen will, dem empfehle ich hier die absolute und umfassende Geschichte der Dreamcast zu studieren.

Wir springen zum US-Launch der Dreamcast, der am symbolträchtigen und (zumindest in der Welt der Videospiele) historischen Datum, dem 09.09.99 erfolgte. Mit einer riesigen Marketing-Kampagne startete SEGA seinen letzten großen Angriff auf den amerikanischen Markt. Peter Moore startete die “It’s Thinking”-Kampagne mit merkwürdigen Werbespots, in denen vom Dreamcast noch nichts zu sehen war, die aber eine ordentliche “Awareness” schafften. Der Höhepunkt wurde in der Launch-Nacht erreicht, als der “Apocalypse”-Spot bei den MTV Video Music Awards seine Weltpremiere feierte:

Don’t think out loud, it might hear you:

Outsmarting it will only make it smarter:

You know it’s alive:

Apocalypse:

Mit satten 17 Launchtiteln, darunter Perlen wie “NFL2K” und “Sonic Adventure”, angekurbelt von einer der teuersten Marketingkampagnen der Videospielgeschichte, gelang SEGA tatsächlich ein historischer Konsolen-Launch: Die Dreamcast verkaufte sich in den ersten 24 Stunden über 225.000 Mal. Bereits vor dem Launch gab es über 300.000 Vorbestellungen in den USA. Nach 14 Tagen waren bereits 500.000 Konsolen über die Ladentische gegangen. SEGA machte am Launch-Tag einen Umsatz von 98,5 Millionen Dollar. Laut SEGA ist der DC-Start damit erfolgreicher als jeder Film, jedes Album oder jede Konsole an ihrem ersten Tag.

Downfall – Das Ende der Dreamcast

Es ist eigentlich erstaunlich, dass es SEGA mit der Dreamcast nicht gelang, das Ruder rumzureißen. Trotz des überragenden US-Launches konnte SEGA nicht genug Konsolen verkaufen, um sich gegen den bevorstehenden Release der PlayStation 2 zu wappnen. Die Dreamcast hatte nur einen Vorsprung von knapp einem Jahr, um sich ein Polster und einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz von Sony zu schaffen.
Und als ob das noch nicht genug wäre, kündigte Nintendo eine neue Konsole an und Microsoft erklärte seinen Eintritt in den Konsolenmarkt.

Um auf den Launch der PlayStation 2 zu reagieren, senkte SEGA den Preis der Dreamcast auf gerade mal 99 Dollar. In Anbetracht der Power, die in der Dreamcast steckte, war das ein nahezu lächerlicher Preis. Es war klar, dass SEGA keinen Cent mehr mit dem Verkauf von Dreamcast-Konsolen machen würde. Im Gegenteil, das Geld für die Produktion der Konsole wurde nicht mal ansatzweise wieder eingespielt.

SEGAs einzige Chance, überhaupt noch Profit zu machen, lag in der Software. Allerdings litt die Dreamcast stark unter Raubkopien, die sich ohne Mod-Chip oder Hardwareumbau abspielen ließen. Ein weiterer Nagel im Sarg war der Siegeszug der DVD. Während die PlayStation 2 ein DVD-Laufwerk bot, schauten Dreamcast Besitzer im wahrsten Sinne des Wortes in die Röhre.

Am 31.01.2001 gab Peter Moore in seinem “Conference Call” weltweit bekannt, dass die Produktion der Dreamcast eingestellt würde. SEGA of Japan entschied, dass sich man sich nach 18 Jahren aus dem Hardware-Geschäft zurückziehen und nur noch als 3rd Party-Entwickler arbeiten würde.
Isao Okawa, Chairman von SEGAs Haupt-Teilhaber CSK und sowas wie der “Vater” von SEGA seit den 80er Jahren, investierte über 40 Millionen Dollar seines Privatvermögens in die Dreamcast. CSK besaß Aktienanteile an SEGA im Wert von 695 Millionen Dollar. Zwei Monate nach Peter Moores Conference Call verstarb Isao Okawa. Er erließ SEGA die Schulden bei ihm und übertrug sämtliche CSK-Aktienanteile an SEGA. Die Dreamcast verkaufte sich weltweit knapp 11 Millionen mal.

Fazit

Die Dreamcast ist unter vielen Gesichtspunkten eine der bemerkenswertesten Konsolen aller Zeiten gewesen. Durch ihre Online-Funktion und Grafikpower war sie ihrer Zeit weit voraus. Sie hatte den besten Konsolen-Launch aller Zeiten in den USA, das größte Spiele-Lineup zum Start sowie mehr First-Party-Titel als GameCube und Xbox zusammen. Für die Dreamcast wurden einige der innovativsten und abgefahrensten Spiele entwickelt. Von Meilensteinen wie “Shenmue” über “Jet Set Radio” und “Soul Calibur” bis hin zu kuriosen Titeln wie “Seaman”. Sie bot mit “Phantasy Star Online” das erste echte Online-RPG für Konsolen und lieferte mit den “2K”-Sportsspielen bis heute eine der besten Sportspiel-Marken.
Doch selbst die beste Konsole kann die Fehler der Vergangenheit nicht vergessen machen und die Gesetze des Marktes negieren. Mit der Dreamcast ist SEGA ein unvergesslicher und von Fans in der gesamten Welt gefeierter letzter Wurf gelungen. Die Dreamcast konnte SEGA nicht retten, aber sie wird im Gegensatz zu anderen Konsolen auch niemals in Vergessenheit geraten.
So schade es ist, dass SEGA keine Konsole mehr anbietet, so ehrlich muss man doch zugeben, dass die Hardware nie SEGA’s Stärke war. Viel mehr waren es die SEGA Spiele, die über Jahrzehnte Erfolg hatten, obwohl die Konsolen auf denen sie liefen zumeist schwächelten. Vielleicht wurde SEGA einfach nur zum Glück “gezwungen”. Sie machen jetzt das, was sie am besten können: Spiele.

Sonic Adventure – Lustige japanische Werbespots:


Und noch einmal unsere Ode an die Dreamcast zum 10-Jährigen Geburtstag:

Und damit endet meine kurze Geschichte der Videospiele und ihrer Werbung. Die jüngeren Ereignisse sind noch nicht lange genug vorbei, um darüber jetzt schon zu dozieren. Alle fünf Teile findet ihr auch noch mal übersichtlich in unserem History-Special.

Die Weltgeschichte ist auch die Summe dessen, was vermeidbar gewesen wäre. -Konrad Adenauer (1876 – 1967)