Eine kurze Geschichte der Videospiele und ihrer Werbung - Teil 4
Wir nähern uns dem Ende meiner kleinen virtuellen Geschichtsstunde. Im letzten Teil meiner kurzen Geschichte der Videospiele und ihrer Werbung geht es um den Abstieg von Sega und den Aufstieg von Sony als neue Macht auf dem Videospielmarkt. Es geht auch um ein neues Medium, denn die CD hat Mitte der 90er die Cartridges endgültig abgelöst und den Grundstein für die “NextGen”-Konsolen gelegt.
Die Geburt der PlayStation
Bevor ich auf die Geschichte der PlayStation eingehe, möchte ich für alle Lesefaulen auf die “History of the PlayStation” verweisen. Wer dem Englischen mächtig ist, findet dort bereits eine schöne Zusammenfassung der Ereignisse.
Aufmerksame Leser von GameOne wissen natürlich längst bescheid. Für alle anderen sei noch mal auf unseren 15-Jahre PlayStation Geburtstags-Podcast verwiesen. Außerdem gibt es noch eine Menge Infos und Bilder auf www.PlayStationMuseum.com.
Und jetzt… geht’s los:
Ken Kutaragi tanzte schon als Kind immer ein wenig aus der Reihe. Während andere Kinder mit ihrem Spielzeug tatsächlich spielten, schraubte Kutaragi alles auseinander und setzte es wieder zusammen. Kutaragi war ein Bastler. Es war also nicht besonders überraschend, das er sich nach der Schule an der Denkin Tshushin University in Tokyo einschrieb und eine Ausbildung als Elektrotechniker und Kommunikations-Designer anstrebte. Nach seinem Studium begann er direkt bei Sony zu arbeiten. Anfangs noch zuständig für die Entwicklung von LCD Geräten und Kameras, entdeckte Kutaragi schnell seine Liebe für Videospiele. Anfang 1980 beobachtete er seine Tochter beim Spielen am “Famicom” und war begeistert. Für ihn war das die Zukunft. Leider sah das Sony zu dieser Zeit etwas anders. Der Elektronik-Gigant konnte mit Videospielen überhaupt nichts anfangen. Dieser “neue” Markt war den Japanern suspekt. Sie sahen Videospiele als Spielzeug an und demnach in einem Gebiet, in dem sie nichts verloren hatten. Zumal das Geschäft ohnehin schon von Nintendo und Sega heftig umkämpft war.
Ende der 80er war Kutaragi bereits einer der wichtigsten Ingenieure des Elektronik-Giganten und galt als eines der größten Sony-Talente überhaupt.
Als Nintendo einen Soundchip für das Super Famicom brauchte, wandte man sich an Kutaragi. Kutaragi entwickelte für Nintendo den “S-SMP Soundchip”. Es war der Beginn einer kleinen Liaison zwischen Kutaragi und Nintendo. Als Sega seine MegaCD-Erweiterung ankündigte, schien Kutaragis Stunde geschlagen. Nintendo wollte jetzt ebenfalls ein CD-Laufwerk für ihre Konsole. Eine CD-Erweiterung für das Super Nintendo, damit konnten sogar die Sony Bosse etwas anfangen.
Bereits im Sommer 1991 auf der “Consumer Electronics Show” kündigte Kutaragi seinen Konsolen-Prototyp für Nintendo an. Ein Super Nintendo mit CD-Rom Laufwerk. Weitere Versionen und Protoypen folgten.
Doch Kutaragi machte die Rechnung ohne den Wirt. Der hieß Nintendo und wollte einen Sicherheitschip für die Software. Die sogenannten “Nintendo Discs” sollten CDs in einer Plastikhülle werden, vergleichbar mit “MiniDiscs”. Kutaragi wollte aber normale CD-Roms benutzen und lediglich einen Sicherheitschip in die Konsole bauen. Bei dieser Meinungsverschiedenheit ging es vor allem um die Hoheit der Software-Lizenzierung.
Einen Tag nach der Ankündigung des Super Nintendo CD-Laufwerks, gab Howard Lincoln, Präsident von Nintendo of America, auf der gleichen CES bekannt, dass man gemeinsam mit Phillips ein CD Laufwerk für das Super Nintendo entwickele. Und mehr noch: Keiner könne es besser als Phillips, schließlich haben sie diese Technik erfunden.
Im Gegenzug erhielt Phillips die Lizenzen für einige Nintendo Franchises wie Zelda und Mario (das Ergebnis waren die unsäglichen CD-I Versionen von Zelda und Mario)
Es war ein Schlag ins Gesicht für Sony und Kutaragi. Während Sony das Thema Konsole zu den Akten legen wollte, kämpfte Kutaragi für die Weiterführung seines Projektes. Auf seiner Seite hatte er Sony CEO Norio Ohga, der in Rage war, weil Nintendo kurzfristig die Seiten wechselte. Trotz der allgemeinen Widerstände bei Sony kam Kutaragi so 1993 zur Gründung von “Sony Computer Entertainment”. Er entwickelte einen ersten Prototyp der PlayStation, der aber noch eine SNES-kompatible Konsole war. Die PlayStation wie wir sie kennen und wie sie offiziell erschien hat mit dem Prototyp technisch nichts mehr gemeinsam. Das Grafikdesign und Layout der späteren PlayStation hatte hier hingegen seine Ursprünge. Am 3. Dezember 1994 war es dann soweit. Die Sony PlayStation erblickte in Japan das Licht der Welt. Sonys erste Konsole war ein weltweiter Hit. Weit über 100 Millionen Mal verkaufte sich die PlayStation und Ken Kutaragi gilt bis heute als “Vater der PlayStation”.
Sony verstand es wie keiner in der gesamten Branche zuvor, die Konsole für den Mainstream zu vermarkten. Die PlayStation markiert den Durchbruch für Videospiele: Von einem Spielzeug für Nerds zu einer Freizeitbeschäftigung einer gesamten Generation. Nicht selten und nicht zu Unrecht wird auch davon gesprochen, dass die PlayStation Videospiele “cool” machte.
Do not underestimate the power of PlayStation. Ein echter Klassiker, der auch in Deutschland lief:
Der deutsche Final Fantasy VII-Spot:
Eine Kompilation an PlayStation-Spots:
Der Anfang vom Ende – Wie SEGA sich sein eigenes Grab schaufelte
Wie schon in Teil 3 erwähnt, entwickelten sich das 32X und das MegaCD zum Mega-Flop. Das Super Nintendo wurde gegen Mitte der 90er immer stärker und wies das Mega Drive vor allem auch technisch in seine Schranken. Im November 1994 veröffentlichte Nintendo in Zusammenarbeit mit RARE den Blockbuster “Donkey Kong Country”. Das Spiel verkaufte sich bis zum Ende des Jahres über sechs Millionen mal und wurde damit das “am schnellsten verkaufte Videospiele aller Zeiten”. Aber nicht nur die Verkaufszahlen waren beachtlich, sondern vor allem die Technik: “Donkey Kong Country” benutzte vorgerenderte Texturen und Musik in CD-Qualität. Auch aus diesem Grund wurde wohl die neue Sega Konsole “Saturn” noch im gleichen Monat wie “Donkey Kong Country” veröffentlicht.
Bei Sega selbst gab es intern größte Zweifel an der neuen Konsole.
Joe Miller und Tom Kalinske von Sega of America erkannten die Schwächen des Saturn zuerst. Die Hardware war kompliziert und teuer. Der Saturn hatte zwei Prozessoren, zwei Grafikchips und noch sechs weitere Prozessoren. Gerüchten zufolge wurden erst später noch weitere Prozessoren eingebaut, als man von der Hardware-Power der PlayStation erfuhr. Außerdem gab es kaum brauchbare Software-Bibliotheken und Entwickler-Tools. Kurz: Für jeden Entwickler war der Saturn ein Albtraum. Für Sega ein zwar starkes, aber auch sehr teures Stück Hardware. Die Entscheidungen über Hardware-Entwicklungen wurden ausschließlich von Sega of Japan beschlossen. Als Miller und Kalinske ihre Bedenken vortrugen, verlangte man in Tokyo Alternativen.
Natürlich hatten Miller und Kalinske einen Plan-B parat: Gemeinsam mit den gleichen Leuten, die mit ihren Workstations bereits Donkey Kong Country für das Super Nintendo renderten, namentlich Silicon Graphics (SGI), wollte man eine neue Konsole entwickeln. Ein neuer Chip, den SGI extra für den Heimkonsolen-Gebrauch entwickelte, sollte das Grundgerüst für Segas neue Konsole werden. Die Japaner lehnten ab und hielten weiterhin an den Saturn-Plänen fest.
Silicon Graphics fand einen anderen Partner und brachte doch noch eine Konsole heraus. Sie ist heute bekannt als Nintendo 64.
Aber es ging weiter. Tom Kalinske wollte nicht aufgeben.
Nachdem der Deal zwischen Sony und Nintendo platzte, witterte er seine Chance. Jetzt wollte er gemeinsam mit Sony eine neue (Sega-)Konsole rausbringen. Doch wieder machte ihm die Japaner von Sega einen Strich durch die Rechnung und lehnten ab.
Am Ende machte jeder seine eigene Konsole. Sega brachte den Saturn raus, Nintendo das N64 und Sony die PlayStation.
Dazu ein original Zitat von Tom Kalinske:
“So we go to Japan, and Sony management liked the idea. Then we went to SEGA, and Nakayama hated the idea. [laughs] So that was the end of that, and the rest is history once again. Those were the specs that became the PlayStation.”
Es ist schon erstaunlich wenn man bedenkt, dass Sega die Chance hatte das N64 und die PlayStation rauszubringen, sich aber entgegen aller Vernunft für die schwächste Lösung, den Saturn, entschied und letztendlich an den anderen beiden Konsolen scheiterte.
Man kann sich nur ausmalen, was aus Sega geworden wäre, wenn sie die Hardware des N64 mit ihrer CD Technologie vereint hätten…
Das Saturn-Desaster
Die Fehler von Sega häuften sich. Während das Mega Drive in Japan keine besondere Rolle spielte, behauptete es sich gerade in Europa und den USA sehr ordentlich gegen Nintendo. Dank der Sportspiele war Sega mit dem Genesis in den USA sogar Marktführer. Trotzdem entschied man sich mit dem Release des Saturn das Mega Drive/Genesis nicht mehr weiter zu unterstützen. Während Nintendo seiner 16-Bit Kundschaft Spiele wie Yoshi’s Island und Donkey Kong Country präsentierte, schauten die Sega-Fans in die Röhre. Nach dem mangelnden Support für das 32X, das MegaCD und jetzt auch das Mega Drive, war das Vertrauen in Sega sogar bei eingefleischten Fans gebrochen.
“I really didn’t want to launch Saturn at all, if truth be known.” – Tom Kalinske
Im November 1994 veröffentlichte Sega in Japan den Saturn. Entgegen der Befürchtungen von Tom Kalinske, verkauften sich die ersten 200.000 Einheiten wie geschnitten Brot. Während Kalinske stets davor warnte, sich ausschließlich auf die starken Arcade-Titel zu konzentrieren, setzte man in Japan genau auf diese. Zum Release gab es den Saturn mit Virtua Fighter im Bundle. Doch für den amerikanischen Markt war Virtua Fighter nicht genug. Anders als die Japaner, waren die Amerikaner nicht so verrückt nach Umsetzungen der berühmten Sega-Automaten. Doch die 3rd Party-Entwickler waren nach dem 32X und MegaCD Desaster vorsichtig. Electronic Arts, einst der größte Verbündete von Sega, sattelte schon früh auf das 3DO um und verbrannte dort viel Geld. Jetzt gab es mit Sony und Nintendo auch noch weitere interessante Partner. Die EA-Sportspiele, die das Genesis in den USA so stark machten, blieben aus. Auch ein Sonic-Titel fehlte zum Release des Saturn. Und zu allem Überfluss ging jetzt auch noch Sony in die Offensive.
Im Mai 1995 fand die erste Electronic Entertainment Expo (E3) in Los Angeles statt. Es war der perfekte Ort um mit dem Saturn den US-Markt zu erobern. Überraschend für fast eine gesamte Branche, gab Sega auf der E3 bekannt, den Saturn “ab sofort” in den USA anzubieten. Nicht nur der Preis von immerhin 399 Dollar machte die Fachwelt stutzig, auch die kaum vorhandene Software und der mangelnde 3rd Party Support (angeblich waren selbst enge Entwickler-Teams nicht in die plötzlichen Launch-Pläne von Sega eingeweiht) warfen weitere Fragen auf. Ursprünglich war der Saturn-Launch für den 2. September angedacht. Man sprach auch vom “Saturnday” (der 2. September war ein Samstag, also “Saturday”). Die meisten Entwickler zielten mit ihren Spielen also auch auf ein Release im September.
Aber auch Sony machte seine Hausaufgaben. Auf der gleichen E3 stellte Sony die PlayStation für den US-Markt vor. Bis heute ist der Auftritt vom damaligen “Sony Computer Entertainment of America”-CEO Steve Race legendär: Als er von seinem Kollegen auf die Bühne gerufen wird um ein paar Worte an die Fachpresse zu richten, nimmt er sich das Mikrofon und sagt lediglich “299” und setzt sich wieder auf seinen Platz.
Segas vorgezogener Release war ein Eigentor. Die Konsole war wesentlich teurer als die PlayStation, hatte kaum interessante Launch-Titel und zu guter Letzt verscherzte man es sich vollends mit den 3rd Party-Entwicklern, die ohnehin nicht begeistert waren von den vielen Fehltritten Segas. Auch intern bei Sega lag einiges im Argen. Während Sonic Erfinder Yuji Naka und sein “Sonic Team” am 3D-Spiel “NiGHTS” arbeitete, gab man der US Division von Sega (namentlich STI, die bereits Sonic 2 und 3 sowie Sonic Spinball und Comix Zone für Sega entwickelten), den Auftrag ein NextGen-Sonic zu entwickeln. Ursprünglich als “Sonic Mars” für das 32X geplant, sollte das Spiel als “Sonix X-Treme” dann für den Saturn erscheinen. STI konnte mit ihrer Engine nicht überzeugen und forderte Unterstützung aus Japan an.
Ohne Absprache mit Yuji Naka, gab man den Entwicklern von STI den Code und die Tools von “NiGHTS”, was wiederum für großen Ärger im “Sonic Team”-Camp sorgte. Yuji Naka drohte mit Rücktritt, und STI musste die Technik wieder abgeben. Die Geschichte um “Sonic X-Treme” ist lang. Wer sich dafür interessiert kann hier und hier mehr über diese leidliche Geschichte nachlesen.
Lange Rede kurzer Sinn: Es erschien nie ein Sonic-Spiel für den Saturn und somit fehlte Sega ein Konkurrent für “Super Mario 64” und “Crash Bandicoot”.
1996 verließ ein frustrierter Tom Kalinske Sega. Sein Nachfolger war Bernard Stolar, der ein hohes Tier bei Sony war und von Sega-Präsident Hayao Nakayama abgeworben wurde. Nakayama bot Stolar die Chance Sega zu restrukturieren und sich maßgeblich an der Entwicklung einer neuen Konsole zu beteiligen. Es war also nicht sonderlich überraschend, dass Stolar wenig Interesse an Segas Saturn hatte. Das Kind war nach seiner Auffassung längst in den Brunnen gefallen. Um den Schaden zu minimieren, wollte Stolar die teure Saturn Hardware zumindest durch qualitativ hochwertige Software rechtfertigen. Da Sega kaum noch 3rd Party unterstützung für den Saturn bekam, mussten zumindest die Sega Titel entsprechend gut sein. Mit Spielen wie “Panzer Dragoon Saga”, “Shining Force 3”, “Guardian Heroes” oder “NiGHTS into Dreams” konnte Sega zumindest einige Toptitel für die eigene Konsole abliefern. Im Hintergrund wurde Mastermind Yu Suzuki bereits beauftragt eine sogenannte “Killer Application”, also einen Superhit, für den Saturn zu entwickeln.
Basierend auf dem Erfolg von Virtua Fighter, arbeitete Yu Suzuki an einem Virtua Fighter-Rollenspiel, in dem Akira die Hauptrolle spielen sollte. Im weiteren Verlauf der Entwicklung wurde aus dem Virtua Fighter RPG “Shenmue” und aus Akira wurde “Ryo Hazuki”. Was viele nicht wissen: Shenmue sollte weiterhin für den Saturn erscheinen, aber Yu Suzuki hatten mit der Hardware schwer zu kämpfen. Dennoch brachte er es fertig, seine Ideen auf den Saturn zu übertragen. Wer erste Entwicklungs-Bilder von Shenmue auf dem Saturn sehen will, der möge bitte hier klicken.
Doch auch Shenmue sollte nicht mehr auf dem Saturn erscheinen.
Gerade mal zwei Jahre nach dem US-Launch gab Bernard Stolar auf der E3 1997 bekannt, dass der Saturn nicht die Zukunft von Sega sei. Das Ende von Segas 32-Bit Konsole war damit besiegelt. Stolar wurde zum Feindbild vieler Sega-Jünger, die ihn für das jähe Ende der Konsole verantwortlich machten. Rückblickend muss man sagen, dass Stolar sich der undankbaren Aufgabe stellte und ein zum Scheitern verurteiltes Missverständnis so schnell wie möglich beendete. Es war das berühmte Ende mit Schrecken, aber nicht das Ende von Sega.
Zumindest in einer Sache blieb sich Sega treu: Ihrem Hang zu abgefahrenen Werbespots.
Are you ready for the future?
Der Krieg der Konsolen brachte mit Sony einen neuen Giganten aufs Schlachtfeld. Während Sega zunnehmend an der eigenen Demontage arbeitete, mauserte sich Sony zum weltweiten Marktführer. Mit Sonys Einstieg in die Welt der Videospiele, veränderte sich eine gesamte Branche. Durch die immer besseren technischen Errungenschaften und Abverkäufe, durch das Ankommen im Mainstream und die Akzeptanz bei weiten Teilen der Bevölkerung, entwickelten sich Videospiele zu einer der profitabelsten Industrie-Zweige der Welt.
Im nächsten Teil lest Ihr alles zu Segas letztem Versuch noch einmal an glorreiche Zeiten anzuknüpfen und Nintendos Kampf gegen den einstigen Verbündeten.
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