Die E3 ist für Gamer wie ein großes Saufgelage. Man schenkt sich Protztrailer ohne Ende ein, lässt sich von kollektiven Vorfreudewellen mitreissen und ist danach so reizüberflutet und übersättigt, dass man sich gediegene Spaziergänge und Brettspielsessions herbeisehnt.

Es ist ja nichts Neues, liebe Entwickler und Publisher, und ich verstehe euch. Ihr gebt uns Eye Candy, Explosionen und Pathos. Ihr glaubt zu wissen, dass wir ohne Michael-Bay-Faktor gelangweilt wegschauen. Dass ihr uns mit dem Vorschlaghammer treffen müsst, um ein leichtes Zucken zu generieren. Und es funktioniert. Ich bin der erste der wegen der Trailer-Manie hysterisch Links verschickt und marschiere bei künstlichen Hypes in der vordersten Reihe. Aber irgendwie schaufele ich mir damit jedes Mal selbst ein Grab. Denn im Gegensatz zu Kinotrailern, die weitestgehend so im Film wiederzufinden sind, sieht ein Spiel nunmal aus der eigentlichen Gameplay-Perspektive grundsätzlich bescheidener aus. Selbst wenn die Grafik im Trailer nicht geschönt wurde.

Und nicht nur die Grafik, auch das Spiel selbst wird durch die Bilderflut in unserem Hirn künstlich aufgeblasen. Denn wenn Spielinfos und Gameplay-Szenen neben den Bombast-Trailern untergehen oder gar nicht vorhanden sind, erledigt die Fantasie den Rest. Bei Watch_Dogs hat man sich aufgrund des Trailers mal ein erwachseneres und intelligenteres GTA V herbeigewünscht. Herausgekommen ist ne Handy-Hacking-App und ein recht guter GTA-Verwandter. Bei The Witcher 3 wünscht man sich den Idealmix aus Skyrim, Dragon Age und Dark Souls herbei, was im Prinzip unmöglich ist und ich erahne schon die Enttäuschung darüber dass das Spiel “nur” sehr gut ist. The Division wird sowieso die Antwort auf alle unsere Fragen, obwohl die wenigsten genau wissen was das eigentlich für ein Spiel wird. Ist ja auch egal, die Welt ist groß und sieht geil aus. Der Rest wird schon hinhauen, oder? Falsch, denn gerade der neuerliche Open-World-Trend ist zwar an sich begrüßenswert, macht die Spiele aber erst recht zu Wundertüten, in denen sich mit Pech auch alte Socken verstecken können.

Der Inszenierungs- bzw. Trailer-Wahn sorgt mittlerweile sogar bei einigen Spielen für Gameplay-Veränderungen. Meistens hechten die Figuren per einzelnem Knopfdruck durch die Level und springen, hangeln und tänzeln wie John Travolta vollautomatisch über die Dächer. Sehr zur Freude des Zuschauers, der sich weiterhin in einem Trailer wähnt. Doch zu Lasten des Gamers, der sich selbst mehr wie ein Zuschauer beim Ballet vorkommt und dem eigenes Geschick am Gamepad immer seltener zugetraut wird. Je weniger man einem Spiel Super Marios Daddelerbe ansieht, desto besser scheint es anzukommen. Man kann das Ganze auch gleich zum spielbaren Trailer umfunktionieren: Die Call-of-Duty-Reihe machts vor.

Das ist natürlich alles etwas überzeichnet und es gibt auch löbliche Ausnahmen. Und logischerweise streben die Entwickler an, dass ihre Spiele immer cineastischer aussehen und präsentieren sie in dieser Form auch der Öffentlichkeit. Der hier beschriebene Trend ist auch kein neuer, scheint sich aber stetig zu verschärfen. Es wird immer spürbarer wie verärgert die Spielerschaft reagiert wenn bei Release die Bildgewalt geschmälert ist. Denn ihre Vorfreude ist nunmal in erster Linie wegen der Optik geschürt worden.

Aber just wo ich diesen Satz schreibe merke ich: Ich könnte doch schon wieder zur nächsten E3, denn der Bilder-Kater ist halt schnell überstanden und wer will schon zocken, wenn er Trailer gucken könnte? Spekulation und (böse) Überraschung macht doch das halbe Gamer-Leben aus. In diesem Sinne: See you next Year!