Mehrfach hab ich mir in letzter Zeit die Frage gestellt, wo denn wohl die Kartons von PS3 und 360 rumfliegen. Denn im Grunde meines Zockerherzens weiß ich: Wenn PlayStation 4 und Xbox One in ein paar Wochen die große Bühne betreten, klettern die Vorgänger von eben dieser herunter – ob auf Krücken wie die Xbox 360 oder mit ein wenig Restwürde wie die PS3, macht letzten Endes keinen Unterschied. Die Wii im Keller freut sich darauf, wieder mit ihren alten Weggefährten vereint zu werden.

Wie am Ende jeder Konsolengeneration stellt sich in dieser Übergangsphase auch die Frage, was man eigentlich mit den ganzen Spielen für die ausgedienten Systeme machen soll. Das Abspielen auf den neuen Systemen wird weder bei Sony noch bei Microsoft möglich sein. Aber baut man nicht irgendwann mal wieder die Vorgängerkonsole auf, um noch den einen ungespielten Blockbuster oder das teuer importierte Rollenspiel aus Japan nachzuholen? Vielleicht. Ich werd das allerdings nicht tun, bei mir werden mit den Konsolen auch deren Spiele verschwinden.

Was da in meinem Regal steht, sind nämlich gar keine Spiele. Es sind Spiele-Baustellen – was weniger böse gemeint ist als es klingt. Mit den konsequent auf Onlineanbindung setzenden Plattformen PS3 und Xbox 360 kamen Dinge ins Konsolenland, die zuvor nur PC-Spieler kannten: Patches, DLC, reine Multiplayer-Titel. Was ganz Neues entstand schließlich mit den verhassten Online-Pässen. Falls nun bereits der Eindruck eines „Früher war alles besser!“-Artikels entsteht – das war es nicht. Im Gegenteil. Das Niveau vieler heutiger Spiele ist sehr hoch. Und dass Spiele durch Updates und DLC im Optimalfall besser und langfristig(er) attraktiv werden, ist eine gute Sache.

Blicken wir nun aber mal einige Jahre weiter: Neben des unvermeidlichem Verfall physischer Datenträger lauert im trüben Nebel der Zukunft die heimtückische Wahrheit, dass die vorab genannten Online-Features dann nicht mehr funktionieren werden: So mag die Firma hinter dem Spiel samt ihrer Server längst nicht mehr existieren. Oder der Hund hat den Server gefressen. Oder ihn einfach nur abgeschaltet, weil das Ganze nicht mehr profitabel ist. Da die Mainstream-Konsolen geschlossene Systeme sind, kann die Community keine lebenserhaltenden Maßnahmen ergreifen, die im PC-Bereich so manchen alten Titel heute noch strahlen lassen.

Meine Spiele, die ich noch für das Super Nintendo, N64, die PlayStation, deren Nachfolgerin und allerlei Handhelds besitze, kann ich alle paar Monate mal aus dem Regal nehmen und spielen. So wie sie damals waren – und wie sie für immer sein werden. Mit all ihren eventuell vorhandenen Macken. Nehmen wir mal das N64: Gefühlte 90% der Spielebibliothek sind heute unerträglicher Nebel-Matsch-Müll. Hässlich, öde und teilweise verbuggter als das CMS von Game One. Aber dem gegenüber stehen eben auch nahezu perfekte Spiele wie „Super Mario 64“ oder „Ocarina of Time“. Spiele wie Kunstwerke, die bis ans Ende der Zeit unverändert in einer Galerie hängen könnten.

Die „Baustellen“, von denen ich sprach, werden oft genug auch wunderschön. Aber sie beginnen unter Umständen als Skizzen, die nach und nach ausgemalt und ausgeschmückt werden. Bis irgendjemand all die nachträglichen Ergänzungen brachial von der Leinwand wischt, indem er den Serverstecker zieht. Weniger poetisch schwadronierend kann man auch sagen: Früher war ein Spiel ein Spiel. Heute ist es oft eher ein Service: Ein Begleiter, der mir Freude bereitet und sich bemüht, mich lange zu unterhalten, vielleicht auch, damit ich fortlaufend in ihn investiere. Aber irgendwann verabschiedet er sich und es bleibt nicht viel mehr zurück als die Erinnerung an eine schöne gemeinsame Zeit.

Ich habe mich von fast allen meinen Spielen für PlayStation 3 und Xbox 360 getrennt und finde es mittlerweile sogar befreiend, meine Wohnung nicht mehr mit immer weiteren Spielen vollzustellen. Ich bin also nicht traurig über den Status quo. Wäre ich aber noch leidenschaftlicher Sammler, würde ich mich unwohl fühlen vor einem Regal voller Spiele mit Verfallsdatum.