Senf ab: Eine Woche mit GTA V
Mit Rezensionsexemplaren von Spielen ist das so eine Sache. Selten kriegt man sie früh, oft kriegt man sie spät und manchmal kriegt man sie gar nicht. Und so ist es immer wieder ein Abenteuer, morgens in die heiligen Hallen der Redaktion zu kommen und sich dort von unscheinbaren Päckchen überraschen zu lassen. Vor gut einer Woche war wieder so ein Tag. Wir bekamen ein unscheinbares Päckchen mit umso scheinbarerem Inhalt: GTA V. Aber was mussten unsere vor Freudentränen glänzenden Augen sehen? Nur ein Exemplar. Wem sollte diese Ehre nun zuteil werden? Wer von uns durfte vor allen anderen diesem Meisterwerk ins spe frönen? ICH! Tim. Ja, ich konnte fast eine ganze Woche Macht genießen. Denn jeder wollte und will dieses Spiel spielen. Und wenn ich “jeder” sage, dann meine ich wirklich “jeder”. Sogar unser Aufnahmeleiter Krys, der sonst nichts mit Videospielen am Hut hat. Wenn der Duft einer neuen “GTA”-Episode durch die Redaktion weht, kriegt auch er eine feuchte UnterhoseAugen.
Aber was macht das Phänomen “GTA” aus? Wieso ist ein Spiel, in dem es hauptsächlich um menschliche Abgründe geht, der Konsens von Spieler- und Nichtspieler-Welt? Kaum ein Spiel ist so fest in der Popkultur verankert und so bekannt – selbst bei Leuten, die noch nie ein Videospiel angefasst haben. Der Release eines neuen Teils ist ein bisschen wie die Fußball-Weltmeisterschaft: Fans und Nichtfans feiern vereint zusammen. Die Sportschau am Samstag kannst du mit deiner Freundin nicht gucken – aber wenn Deutschland bei der WM spielt, ist sie die erste, die mit schwarz-rot-goldener Schminke ankommt.
Ich sag’s direkt mal so: Mir macht “GTA V” wahnsinnig viel Spaß. Und dabei stand ich manchen Aspekten vorab kritisch gegenüber: Braucht es wirklich parallele Handlungsstränge und Charakterwechsel? Gerade die Identifikation mit dem Hauptcharakter hat “GTA” für mich bisher geprägt. Aber kann man sich mit drei Charakteren gleichzeitig identifizieren? Nein, muss man aber auch nicht. Denn unter den drei “Helden” von “GTA V” findet jeder Spieler seinen persönlichen Liebling. Versteht mich nicht falsch – Michael, Franklin und Trevor sind alle super Charaktere mit genug Ecken und Kanten, um sie interessant zu finden. Aber so wie ich mich jedes Mal freue, wenn ich wieder Franklin spielen darf, wird es wohl jedem von euch mit einem der drei Typen gehen.
Von allen Vorabsorgen befreit, kann ich nun bestätigen, dass “GTA V” in so ziemlich allen Belangen noch eine Schippe draufpackt. Die allergrößte Schippe wurde aber auf Los Santos gepackt. Aber was sag ich Schippe? Das ist eine verdammte Baggerschaufel. Die Stadt sieht so gut aus, ich kann meinen Augen kaum trauen. Nicht nur, dass sich der Detailgrad des Geländes und der Gebäude um ein Vielfaches verbessert hat – auch die Ähnlichkeit mit Los Angeles war noch nie so groß. Ich war persönlich erst einmal in der Stadt der Engel und es waren nur vier Tage, aber in Los Santos erkenne ich in jeder Sekunde, welche Stadt die Entwickler nachgebaut haben. Wenn man auf dem Hollywood Boulevard vor dem Chinese Theatre steht, weiß man, was gemeint ist – auch wenn es Oriental Theatre heißt.
GTA V
Selbst die Vororte, selbst die Ölbohranlagen und selbst die Lichtstimmung kommen einem bekannt vor. Ich hab den Ort wiedererkannt, an dem mein Hotel war. Ich habe die Strandpromenade gesehen, an der ich shoppen war. Und wenn ihr in der Southside unterwegs seid, denkt ihr sowieso an jeder Ecke, dass ihr gerade durch das Set eines modernen Gangsterstreifens lauft. Und auch wenn ihr mit Trevor im verlassenen Sandy Shores seid, entdeckt ihr immer wieder einzigartige Orte. Fliegt mal mit einem Flugzeug über die Vinewood Hills und sagt mir, dass ihr nicht gerade das Endorphin durch euren Körper rauschen spürt…
Toll sind auch die so genannten Heist-Missionen, die immer wieder als besondere Leckerbissen in die Story eingestreut werden. Die Raubzüge vereinen meist alle drei Charaktere und erfordern minutiöse Vorarbeit. Wollt ihr einen Juwelier ausrauben, kundschaftet ihr in Heist-Setup-Missionen erstmal den Laden aus, macht Fotos des Sicherheitsequipments, checkt den Verlauf der Lüftungsrohre und besorgt einen Fluchtwagen. Habt ihr alle Vorbereitungen getroffen, kann der Coup starten. Habt ihr hingegen keinen Bock auf viel Vorarbeit, könnt ihr den Raubzug alternativ mit roher Gewalt angehen. Die Zusammenstellung des Teams bleibt euch ebenso überlassen. Aus einer Kartei könnt ihr hochqualifizierte Leute anheuern, die ihren Preis haben. Oder ihr vertraut auf die billige Variante – bei der dann aber viel mehr schief gehen kann.
Es gibt mehr Aktivitäten, mehr Autos, mehr Klamotten, mehr Missionen, mehr Waffen, mehr von allem. Ich will euch nicht alles vorweg nehmen. Am besten ihr entdeckt selbst, was Los Santos zu bieten hat. Eines muss aber noch explizit erwähnt werden: Es gibt mehr Musik! Der Soundtrack von" GTA V" ist wieder einmal großartig. So viele lizenzierte Tracks wie diesmal habt ihr noch nie gehört. Von Snoop Dogg und Dr. Dre bis hin zu Britney Spears und den Pet Shop Boys ist so ziemlich jede Geschmacksrichtung vertreten. Auf FlyLo FM spielt Radiomoderator Flying Lotus sogar exklusiv produzierte Tracks von Künstlern wie Hudson Mohawke, Aphex Twin oder Tyler, the Creator.
Zum Schluss noch ein bisschen Meckerei: Die Fahrzeugphysik ist gewöhnungsbedürftig. Speziell bei den Sportwagen hätte eine gute Portion Traktion nicht geschadet. Ihr rutscht mit einigen Luxuskutschen in den Kurven so leicht weg, dass ihr die Dinger lieber in der Garage stehen lasst. Da die Steuerung der Autos aber von Modell zu Modell sehr unterschiedlich ist, gibt es immer eine Alternative. Bei Flugzeugen und speziell bei den Helikoptern wurden jetzt Turbulenzen eingebaut. In der Praxis heißt das: Euer Helikopter eiert alle paar Sekunden leicht hin und her. Mag realistisch sein, nervt aber schon ein wenig.
Das ist am Ende des Tages aber egal, denn ich bin einfach verliebt in “GTA V”. Und ich bin mir sicher, ihr werdet es auch sein. Wenn ich euch mit meinem Text gewordenen Lobgesang noch nicht überzeugt habe, dann schaut euch einfach mein Video zum Spiel an: