Senf ab: Bruce Willis, Dark Souls und andere Optionen
Es gibt zwei Sorten von Menschen. Die Einen sortieren ihre LEGO-Steine nach Farben und Formen, machen kleine korrekte Häufchen und bauen dann systematisch und nach Plan. Die Anderen haben einen großen bunten Haufen, der sich aus Playmobilfiguren, Matchbox-Autos und diversen anderen Spielzeugresten zusammensetzt. Gebaut wird hier nicht nach Plan sondern einfach drauflos. Ein Teil auf das andere. Scheissegal wie es am Ende aussieht. Der Weg ist das Ziel. Auch bei Games gibt es zwei Sorten (wahrscheinlich auch mehr, aber mein Gehirn kann grad nicht gut denken, deshalb belasse ich es jetzt mal bei zwei). Die Einen, die gerne zwischen Schwierigkeitsgraden wählen wollen und die Anderen, die keine Idioten sind.
Schwierigkeitsgrade in Videospielen sind eine Besonderheit eben dieser. Kein anderes Unterhaltungsmedium geht davon aus, dass seine Konsumenten so unterschiedlich veranlagt sind, wie Videospiele. Easy, Normal, Hard. Wenn ich das irgendwo lese, bekomme ich schon ein geschwollenes Ei.
Die optionalen Schwierigkeitsgrade sind nichts anderes als das Eingeständnis der Macher, kein ausbalanciertes Gameplay oder eine motivierende Lernkurve abliefern zu können. Ich behaupte sogar, dass ein gutes Spiel keine Schwierigkeitsgrade braucht!
Seit jeher galten die Nintendo-Franchises wie Zelda, Mario und Metroid als funkelnde Sterne der Branche und als Beispiel für perfektes Gameplay. Keine dieser Reihen hatte einen Schwierigkeitsgrad zur Auswahl. Und damit ist nicht gemeint, dass das Spiel nach dem Durchzocken noch mal schwieriger wird. Das ist vollkommen in Ordnung. Aber Super Mario funktioniert einfach. Es ist perfekt ausbalanciert. Es fängt leicht an, so dass jeder das Spielprinzip versteht. Es lässt einen spielend die Möglichkeiten der Steuerung und der Spielmechanik entdecken und es wird immer schwerer und anspruchsvoller je weiter man kommt.
Super Mario Bros. Mii: Screenshots
Schon bei „Monkey Island“ konnte man zwischen zwei Schwierigkeitsgraden wählen. Sollen die Rätsel schwer oder leicht sein? Soll es eher viele oder eher wenige Rätsel geben? Was ist das eigentlich für eine Frage? Warum bietet das Spiel nicht gleich einen IQ-Test an und schrumpft den Spielinhalt dann VOR SPIELSTART auf die Kompetenz des jeweiligen Zockers zusammen.
„Das Ergebnis des IQ Tests hat ergeben, dass Sie zu dumm sind, dieses Spiel in vollem Umfang zu spielen. Wir empfehlen Ihnen daher die Variante ‘Für Schmocks’ zu wählen. Bei denen Sie sich nur durch die Bilder klicken müssen. Auf Rätsel wird komplett verzichtet!“
So steht es zwar nicht da, aber im Prinzip ist das genau der Text, der hinter jedem „Easy“-Mode stehen sollte. Ich will keinen „Easy“-Mode, ich will kein „Mass Effect“, das mich fragt ob ich lieber mehr oder weniger Ballern will. Oder ein „Ni No Kuni“ das mir die Möglichkeit gibt, die gegnerische KI auf „absolute Dummheit“ zu skalieren. MACHT EUREN VERDAMMTEN JOB, LIEBE ENTWICKLER.
Ich erwarte von einem fertigen Spiel, dass es funktioniert, dass es in sich schlüssig ist, also mir alle Mittel zur Verfügung stellt um durch das Spiel zu kommen, ohne dass an irgendeiner Stelle nachjustiert werden muss. Wenn das Spiel „plötzlich“ so schwer wird, dass ich das Verlangen habe den Schwierigkeitsgrad zu ändern, dann ist es schlicht und einfach schlecht programmiert. Oder ich bin eine faule Sau, die sich nicht abverlangen und schon gar nicht irgendwas lernen will. Das ist auch vollkommen in Ordnung. Ich erwarte nicht, dass alle Spiele schwer sind. Von mir aus macht das leichteste Spiel der Welt – wie „Kirby und das magische Garn“. Ein Spiel, bei dem es unfassbar schwer, nein nahezu unmöglich ist, Game Over zu gehen. Das ist doch auch was. Nicht jeder muss „Dark Souls“ oder „Ninja Gaiden“ mögen. Aber verdammt noch mal, diese Spiele haben ebenso eine Existenzberechtigung wie Kirby. Und genauso wenig wie Kirby dank zusätzlicher Optionen zu einem „anderen“ Spiel gemacht werden sollte, genauso wenig sollten andere Spiele durch verschiedene Schwierigkeitsgrade verwässert werden.
Bei Filmen funktioniert es doch auch. Da gibt es doch auch keine „Ab 6“-Version von „Der Pate“, in der alle Dialoge fehlen, damit auch die ganze Familien Spaß an dem Film haben können.
Aber natürlich macht die „Ver-Casualisierung“ auch vor Hollywood nicht halt. Was passiert, wenn solche faulen Kompromisse eingegangen werden, sieht man an so Filmen wie der „Stirb Langsam“-Reihe. Ich rede jetzt nicht vom ganz neuen fünften Teil. Den kenn ich noch nicht. Der erste „Stirb Langsam“-Film der 1988 in die deutschen Kinos kam, war ab 18 Jahren freigegeben. Der vierte Teil war ab 12 Jahren freigegeben. In den USA war die Diskrepanz nicht ganz zu groß. Die ersten drei Teile waren „R-rated“ und der vierte Teil war „PG“, was quasi der „ab 12“-Zertifizierung entspricht. Lange Rede kurzer Sinn: Je teurer und „größer“ das Franchise wurde, desto mehr wollte man sich einer breiten Öffentlichkeit, sprich dem Mainstream, öffnen. Ist ja auch logisch: Je mehr Leute den Film sehen, desto mehr Geld nimmt man an den Kinokassen ein. Aus künstlerischer Sicht hingegen, hat es dem Franchise geschadet. Während die ersten Teile noch harte Actionfilme für behaarte Männer waren, war vor allem der letzte „Stirb Langsam“ eine weichgespülte Actionkomödie, die wenig von der Härte und der „Dreckigkeit“ der Vorgänger übrig hatte. Eben ein Film für die ganze Familie.
Das Beispiel „Stirb Langsam“ ist nur eines, von immer mehr aufkommenden Exempeln. Genau wie bei Videospielen verkommen Filme immer mehr zu reinen Produkten die Geld erwirtschaften sollen, anstatt die Visionen von Künstlern abzubilden. Natürlich gibt es das noch und natürlich wollten die Studios auch früher schon Kohle mit Filmen mache. Es ist ja auch nicht alles immer schwarz-weiß (wie Schnee), aber eine Tendenz lässt sich auf jeden Fall ausmachen.
Diese Tendenz, und jetzt kommen wir zum Kern dieses Senfs, macht mir persönlich ein wenig Angst. Denn der optionale Schwierigkeitsgrad ist ein Synonym für „es allen recht machen“ und nichts ist schlimmer als es allen recht machen zu wollen. Erst recht nicht für kreativ-schaffende Menschen oder Branchen, die für sich einen künstlerischen Anspruch erheben.
Dark Souls
Ich bin auf dieses Thema gekommen, wie sollte es anders sein, weil vor Kurzem der Nachfolger zu meinem geliebten „Dark Souls“ angekündigt wurde. Nun muss man dazu sagen, dass „Dark Souls“ und sein Vorgänger „Demon’s Souls“ sackschwere Spiele sind. Aber sie sind nicht unfair, sie sind auch nicht einfach nur schwer um damit angeben zu können wie schwer sie sind. Der Schwierigkeitsgrad ist kein Selbstzweck, auch wenn er als solcher vermarktet wird.
Der Schwierigkeitsgrad bei der „Souls“-Reihe macht Sinn. Es ist schwer das jemandem zu erklären, der sich nicht komplett auf die Spiele eingelassen hat, aber vertraut meiner Zocker-Erfahrung von nunmehr fast 30 Jahren, wovon die Hälfte auch noch beruflicher Natur ist. Das Spielprinzip kommt der Perfektion nahe. Es ist wie viele kleine Zahnrädchen, die nur dann ineinandergreifen, wenn sie perfekt ausbalanciert und in Einklang gebracht wurden.
Bei der „Souls“-Reihe musst du das Gefühl haben, dass der Verlust des Lebens (der Spielfigur) eine echte Strafe darstellt. Nur wenn du wirklich Angst um deine Figur hast, funktioniert auch die Levelarchitektur. Nur wenn du weisst, dass jeder Gegner eine Herausforderung darstellt, ganz gleich ob es der aller Erste oder der aller Letzte ist, nur dann wanderst du mit dem nötigen Respekt durch eine düstere Welt voller Gefahren und wirst in eben diese Welt hineingezogen. Und nur wenn du das Gefühl hast, dass der Weg lang und beschwerlich war, nur dann wirst du am Ende zu schätzen wissen, wie schön es ist sich am nächsten Lagerfeuer für ein paar Momente in Sicherheit wiegen zu können …
FROM SOFT, die Entwickler der „Souls“-Reihe haben Eier bewiesen in einer Zeit, in der große Franchises wie „Assassins Creed“ und „Call of Duty“ Millionen verkaufen. Sie haben ihre Vision so konsequent umgesetzt und verfolgt, dass sie dadurch sogar zu unerwarteten Erfolgen gekommen sind. „Dark Souls“ hat diverse Preise eingeheimst, durch die Bank fantastische Bewertungen bekommen und sich sogar außerhalb Japans (und auf dem PC!) ordentlich verkauft.
Wie schon gesagt, wurde jüngst der Nachfolger angekündigt. Ob „Dark Souls 2“ noch dieses Jahr auf den Markt kommt, oder vielleicht sogar erst 2014 und dann sogar schon für eine der neuen Konsolen, ist bislang noch nicht klar. Klar ist allerdings, dass der Mann der für die beiden ersten „Souls“-Spiele verantwortlich war, Hidetaka Miyazaki nicht mehr an der Entwicklung beteiligt sein wird (er soll eine beratende Funktion übernehmen; was immer das heißen mag).
Die beiden neuen Verantwortlichen heißen Tomohiro Shibuya und Yui Tanimura, und sie haben bereits gesagt, dass sie das Spiel „zugänglicher“ machen wollen. „Zugänglicher“. ZUGÄNGLICHER. Ich will hier keine Panik schieben, aber es macht mir Angst. Ich kann nur hoffen, dass diesem Kleinod der aktuellen Videospiel-Welt nicht das gleiche Schicksal blüht, welches auch Bruce Willis erlebte.
Ich habe so unglaubliche Angst, dass ich meine Playstation 4 anmachen werde, voller Euphorie „Dark Souls 2“ reinschiebe und nach dem majestätischen Titelbildschirm die Frage kommt: „Normal“ oder „Für Schmocks“?