Pünktlich zum Ende der Gruppenphase der EM 2012 und als Vorbereitung auf den Rest des Turniers, präsentieren wir euch ein großes Update unseres vor rund zwei Jahren veröffentlichten Artikels um die “kurze Geschichte des digitalen Fußballs”. Während wir heute mit perfekten Animationen, echten Stars und Lizenzen in realistisch nachempfundenen virtuellen Stadien kicken, legte der Fußball als Videospiel einen langen Weg zurück. Wir nehmen euch mit auf eine Zeitreise, als Fußbälle noch pixelige Punkte waren und sich mit einem Knopf schießen ließen.

“Pelé’s Soccer”, auch bekannt als “Championship Soccer”. Es war das erste Fußballspiel von Atari und erschien exklusiv auf dem Atari 2600. Gleichzeitig gilt es als erste Spiel, das einen prominenten Spieler als Aushängeschild hatte. Die 17 Seiten dicke Anleitung des Spiels lässt auf eine anspruchsvolle Fußball-Simulation schließen, allerdings spielte es sich doch etwas simpler. Gespielt wurde Vier-gegen-Vier, wobei die Spieler wie kleine “Blobs” aussahen und man sie auch nicht einzeln steuern konnte. Interessant ist auch, welcher der “Blobs” eigentlich Pelé war. Aber seht selbst:

Etwas mehr nach Fußball sah der nächste Versuch von Atari aus. Mit “Realsports Soccer” war das erste Fußballspiel geboren, das man auch als solches durchaus erkennen konnte. Statt der “Blobs” aus “Pelé’s Soccer” gab es jetzt Strichmännchen, die sogar Animationsphasen hatten. Torhüter hingegen wurden komplett wegrationalisiert und gespielt wurde Drei-gegen-Drei. Ein Novum das bis heute Bestand hat, ist das Wechseln der Spieler. Zwar konnten sich die Spieler nicht frei auf dem Feld bewegen, sondern nur auf ihren jeweiligen “Bahnen” (oben, unten, mitte), aber zumindest war hier ein kleiner Fortschritt zu erkennen. Spielerisch war es aber doch eher mau und erinnerte eher an Eishockey als an Fußball.

Wesentlich besser sah da schon International Soccer aus. Es hatte ein realistisch nachgezeichnetes Spielfeld, frei bewegbare Spieler, Standardsituationen und gespielt wurde Sechs-gegen-Sechs. Im Vergleich zu “Realsports Soccer” war das Spiel meilenweit Voraus und gerade in Europa ein richtiger System-Seller für den C64. Achtet mal auf die famosen Torwart-Paraden. Das war vor 27 Jahren spektakulär!

Bei so einem einfallsreichen Titel, kann man eigentlich auch nur ein spektakuläres Spiel erwarten. Und in der Tat: Mit “Soccer” präsentierte Nintendo sein erstes Fußballspiel und kopierte dabei fleißig den C64-Ableger “International Scoccer”. Hier spielte man allerdings Fünf-gegen-Fünf, es gab Torhüter, einen Pass- UND einen Schuss-Button, neue Regeln wie Einwurf und Anstoß, ein Spielfeld mit realistischen Markierungen, beeindruckende Jubelanimationen sowie völlig frei steuerbare Spieler. Einzig der Torschuss war noch etwas kompliziert: Ein Pfeil im gegnerischen Tor hat sich parallel zu der Spielerbewegung mitbewegt. Lief man mit dem Spieler nach oben, ging auch der Pfeil im Tor nach oben. Mit Druck auf die Schusstaste, gab der Spieler dann einen Schuss in die Richtung des Pfeils ab. Spielerisch konnte mir hier auch weiterhin nicht wirklich von Fußball reden. Aber immerhin gab es in der Halbzeitpause Cheerleader!

Der Spielautomat Tehkan World Cup von Tecmo, darf ohne Frage als einer der größten Einflüsse auf die Entwicklung der Fußball-Games Ende der 80er und Anfang der 90er, gewertet werden. Zwar bot der Automat nur einen Trackball und eine Taste, aber er beeinflusste durch die erneute Verwendung der Vogelsperspektive (erstmals seit “Pele’s Soccer”) und die Verwendung von einem großen scrollenden Fußballfeld maßgeblich Spiele wie “Microprose Soccer” “Kick-Off” und “Sensible Soccer”.

Jon Hare ist ein britischer Spieleentwickler der sich schon recht früh als Co-Designer für C64-Perlen wie “Wizball” oder “Parallax” einen Namen machte. Später gründete er “Sensible Software”, die u.a. Spiele wie “Mega Lo Mania” rausbrachten. Berühmt und berüchtigt wurde er aber durch seine Fußball-Reihe “Sensible Soccer”. Hare war großer Fan von “Tehkan Worldcup” und wollte das Spielprinzip für den Heimbereich umsetzen und verfeinern. Dies gelang ihm mit “Microprose Soccer”. Es war das erste Fußballspiel außerhalb der Spielhalle, das sich auch wirklich nach Fussball anfühlte. Das lag vor allem daran, dass endlich Elf-gegen-Elf gespielt wurde, aber auch an dem extra großen Spielfeld das mit vielen Pass-Stafetten überbrückt werden konnte. “Microprose Soccer” war in vieler Hinsicht revolutionär und brachte diverse Innovationen ins Spiel. So konnte man jetzt auch hohe Pässe spielen indem man den Passknopf länger gedrückt hielt. Es gab unterschiedliche Wetter-Konditionen wie Regen und Gewitter (mit Blitzen!) und erstmals auch Wiederholungen (Action-Replays). Außerdem gab es erstmals die Möglichkeit richtige Bananen-Flanken zu schlagen, da man den Ball nach dem Schuss oder Pass noch leicht steuern konnte. “Microprose Soccer” wurde folgerichtig auch von der Fachpresse gelobt und bekam in der Powerplay (Ausgabe 11/88) satte 90%!

Der Erfolg von “Microprose Soccer” und die anstehende Fußball-WM in Italien, sorgten für den Release von zahlreichen Fußballspielen. “Kick-Off” von Spieleentwickler Dino Dini war mehr als nur ein Klon. Es sah zwar aus wie “Microprose Soccer”, bot aber eine bahnbrechende Neuerung: Der Ball klebte nicht mehr am Fuß des Spielers! Klingt simpel, war aber in der Tat eine revolutionäre Entwicklung. Plötzlich konnte man nicht mehr ohne weiteres Slalom laufen und im 90 Grad-Winkel dem Gegenspieler ausweichen. Aber das war noch nicht alles. “Kick-Off” bot jede Menge realistischer Features: Verschiedene Schiedsrichter, die unterschiedlich hart pfiffen, gelbe und rote Karten, Verletzungen, Spieler mit unterschiedlichen Chrakterwerten oder verschiedene Formationen und Taktiken. Neu war auch die sehr “niedrige” Kamera-Perspektive, die nur einen kleinen Ausschnitt des Spielfeldes zeigte, weshalb erstmals auch ein Radar Einzug in ein Fußballspiel erhielt. “Kick-Off” und der Nachfolger “Kick-Off 2” wurden zu einer der erfolgreichsten Fußball-Serien aller Zeiten. Noch heute gibt es viele “Kick-Off”-Fans, die sich regelmäßig zu Turnieren treffen!

Während auf C64 und Amiga die Fußballspiele immer realistischer wurden, brachte Nintendo pünktlich zur WM eines der bis heute abgefahrensten Fußballspiele überhaupt auf den Markt. Gespielt wurde Sechs-gegen-Sechs, Fouls und Abseits wurden nicht gepfiffen und wenn man einen Spieler oft genug gefoult hatte, blieb der bis zur nächsten Spielunterbrechung einfach liegen (Auswechseln gab’s natürlich auch nicht). Das ganze wurde aber noch von den Specialmoves getoppt. Fünf Mal pro Halbzeit durfte man einen spektakulären Superschuss abfeuern, z.B. einen Fallrückzieher von der Mittellinie, der bei korrekter Ausführung unweigerlich im Tor des Gegners landete. Außerdem gab es noch nette Features, wie unterschiedliche Bodenbelege (Eis, Sand, Gras etc.) und die Möglichkeit das Spiel (Adapter vorausgesetzt) zu viert, also Zwei-gegen-Zwei, zu spielen.
Auch wenn das Spiel nicht wirklich als Fußball-Simulation gewertet werden kann, muss es schon erwähnt werden.

Die “Kick-Off”-Serie war äußerst Erfolgreich. Aber sie sollte ihren Meister noch finden. Knapp vier Jahre nach “Microprose Soccer”, meldete sich Jon Hare spektakulär zurück. Er präsentierte mit “Sensible Soccer” die erfolgreichste Fußballspiel-Reihe für Amiga und zwei Jahre später mit dem Nachfolger “Sensible World of Soccer” (SWOS) einen echten Meilenstein der Videospielgeschichte. “Sensible World of Soccer” wurde sogar von der New York Times zu den zehn wichtigsten Videospielen aller Zeiten gewählt.
Erstmals gab es 64 Clubs und 34 Nationalmannschaften zur Auswahl. Die Spieler hatten Chrakterwerte und dank des Editors war es möglich mit den “echten” Spielern zu spielen. “Sensible World of Soccer” hatte einen richtigen Manager-Modus. Spieler hatten Marktwerte, Stärken und Schwächen (wie Tackling, Kopfball, Schusskraft etc.).
Spielerisch war es ähnlich wie “Kick-Off”, allerdings war die Kamera wesentlich weiter vom Spielfeld weg. Übrigens: “Sensible World of Soccer” gibt es mittlerweile auch als Download auf dem Xbox Live Marktplatz mit spaßigem Multiplayer-Modus!

Ende 1993 war der Startschuss für die bis heute erfolgreichste Fußball-Reihe überhaupt. Mit “Electronic Arts” und ihrem Entwicklungs-Team für Sportspiele “EA Sports”, übernahmen plötzlich die Konsolen das Zepter für Sport- und vor allem Fußballspiele. “EA Sports” war bereits jahrelang erfolgreich mit den “Madden”-Football-Spielen und der “NHL”-Reihe. Jetzt also Fußball. Und sie mischten die Konkurrenz gut auf. Mit ihrem ersten Fußball-Game “FIFA International Soccer” boten sie direkt eine komplett neue Perspektive an. Während sich die Fußball-Games bis dato in “top-down” (“von oben”) oder “side scrolling” (von der Seite) aufteilten, wartete “FIFA” mit einer interessanten Iso-Perspektiv auf. Doch das war nicht das einzige Zugpferd: Damals wie heute wollte EA die Spieler vor allem durch eine starke Präsentation locken. Gute Grafik und Animationen sowie als erstes Fußballspiel überhaupt ausgestattet mit der offiziellen FIFA-Lizenz. Seit 1994 liefert EA Sports jedes Jahr mindestens einen neuen Teil der Reihe ab. Und obwohl kommerziell stets erfolgreich, gelang es erst mit FIFA 10 auch spielerisch mit der Konkurrenz aus Japan, namentlich der “Pro Evolution”-Reihe mitzuhalten.

Ein nettes Video zeigt recht anschaulich, welch’ langen Weg die FIFA-Reihe beschreiten musste um die heutige Qualität zu erreichen:

Der zunehmende Erfolg von Fußballspielen und das steigende Interesse der Japaner am runden Leder, sorgte 1994 für den ernsthaften Einstieg Konami’s in die virtuelle Welt des Rasensports. Fälschlicherweise wird oft angenommen, dass “ISS” das erste Fußballspiel der Reihe war. Strenggenommen war aber das 1992 für das NES erschienene Konami Hyper Soccer (das Ihr hier übrigens mal kurz antesten könnt) der Ur-Vater der “Pro Evo”-Serie.

Mit “International Superstar Soccer” (Perfect Eleven in Japan) gelang Konami dann aber direkt ein riesen Wurf. ISS veränderte die gesamte Fußballwelt. Während auf Amiga und Co. die Unterschiede zwischen den Spielen immer geringer wurden, präsentierte Konami eine völlige neue Welt des Fußballspiels. Noch nie war Fußball so realistisch, bot so viele Möglichkeiten und sah so gut aus. Während “Sensible World of Soccer” noch mit einer Taste spielbar war, konnte man bei ISS fantastische Spielzüge einleiten, Pässe in den Lauf spielen, die Geschwindigkeit der Spieler verändern, dribbeln, lupfen, flanken … es ging einfach fast alles. Dazu eine “FIFA”-ähnliche Iso-Perspektive, mit der man viel näher am Geschehen war. Außerdem gab es zahlreiche Optionen und Einstellungsmöglichkeiten für Taktik,Strategie und Spielerverhalten. ISS war die perfekte Mischung aus Arcade-Action und realistischer Simulation. Eine Mischung die bis heute bei der “Pro Evolution Soccer”-Reihe bewährt ist.

Mit FIFA und ISS (aus dem 2001 “Pro Evolution Soccer” wurde) endet auch der Geschichtsunterricht. Beide Serien haben sich durchgesetzt und dominieren den Markt. Gerade weil beide Marken so präsent sind, gibt es kaum noch andere Anbieter von Fußballspielen.

Da es hunderte von Fußballspielen gibt, musste sich dieser kleine Ausflug in die Vergangenheit auf die Meilensteine konzentrieren. Eine besondere Erwähnung hätte noch “Virtua Striker”, das erste 3D-Fußballspiel aus dem Hause SEGA. Andere Spiele wie “Striker”, “Super Soccer” oder “Actua Soccer” haben alle ihre Daseinsberechtigung, aber der Einfluss auf die Entwicklung der Fußballspiele ist doch eher als gering einzuschätzen.

Die Zukunft bleibt weiterhin spannend. Solange Konami und EA weiter hochqualitative Spiele entwickeln, gewinnt immer der Videospieler. Beide Reihen pushen sich stets zu Höchstleistungen und es bleibt abzuwarten, ob es irgendwann wirklich nur noch das eine Fußballspiel geben wird.