Richtig gute Point-and-Click-Adventures sind selten geworden. Ich meine, die Zeiten von “Monkey Island” und “Maniac Mansion” liegen doch schon etwas länger zurück. Ist auch keine wirkliche Überraschung. Der Konsolenmarkt boomt, ein “AAA”-Titel wird nach dem Anderen rausgehauen. Kommerz und Mainstream haben sich wie ein dicker Vogel in das Gaming-Nest gesetzt. Und ich meine so ’ne richtig fette Kohlmeise. Ihr wisst schon.

Um so mehr freut es Freigeister wie mich, wenn der Postbote klingelt und uns ein Spiel wie Botanicula auf den Tisch knallt. “Willste das nich’ ma’ spielen?” schamaledeit es mir entgegen. “Guuut, dass du fragst,” natürlich hab’ ich sofort angefangen. Meine PC-Jahre liegen ja nun auch schon etwas zurück. Und Adventures erst.

Hier war mal ein Bild das leider nicht gebackupt wurde :(

Ausgepackt, installiert und ab dafür! Der Startbildschirm öffnet sich und mein erster Gedanke ist: “Hübsch”. Amanita Design hat sich wirklich Mühe gegeben. Die sind übrigens auch für das 2009 erschienene “Machinarium” verantwortlich, welches Damals zu den Überraschungstiteln des Jahres zählte. Die werden schon wissen was sie tun!

Es geht los. Mein anfänglicher Verdacht wird bestätigt. Die Pupillen weiten sich, ein Lächeln überflutet mein Gesicht. Das Design ist zum niederknien. 2D und comicartig gehalten, verspielte Optik und überwiegend warme Farben. “Knuffig” wäre der adäquate Mädchen-Fachausdruck :).

Das kurze Intro enthüllt die Story. Fünf Baumbewohner müssen Baumsamen sammeln, um den Mikrokosmos, in dem sie leben, zu retten. Dieser wird nämlich zusehends von Parasiten zerstört. Auf dieser Reise trifft man allerhand lustige Baumbewohner. Manche sind realen Wesen nachempfunden, andere komplett den kreativen Entwicklerköpfen entsprungen. Wie zum Beispiel die gehirnartigen Trampolintiere, im vorletzten der 6 Level, oder der siebenäugige Blob. Ich hab’ das Gefühl es wird immer “knuffiger”, erst recht wenn man sich dazu die fünf Hauptdarsteller näher anschaut. Da haben wir “Mr. Twig”, einen kleinen Ast mit nur einem Auge,“Mrs Mushroom”, einen kleinen Pilz, “Mr. Poppyhead”, eine Art Zapfen, “Mr. Feather”, eine Feder und “Mr. Lantern”, eine – Achtung! – Laterne. Eine super Truppe!

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Und so klickt man sich dann von einem Level zum nächsten. Es gilt kleine Rätsel und Minispiele zu lösen um dem gewünschten Ziel einen Schritt näher zu kommen. So muss man beispielsweise drei kleine Kinder einer verzweifelten Kastanienmama finden. Oder 14 Hühner, die in kleinen Laufrädern das Baumkronen-Dorf vor dem Untergang bewahren sollen. Alles ist charmant verpackt und ergibt am Ende tatsächlich auch Sinn, selbst wenn es erst nicht so scheint.

Was euch sofort ins Auge – Pardon – ins Ohr fallen dürfte ist der großartige Soundtrack und die sehr kindliche Vertonung des Spiels. Alles ist sehr minimalistisch gehalten. Die Songs sind stets der Situation und dem Ambiente angepasst. Jede Bewegung, jede Aktion klingt wie am Mikro selbst eingesprochen. Legt man einer großen Schnecke etwas Futter hin, hört man erst ein “Schiup schiup schiup” für die Bewegung und dann ein “Huoam” und ein Schmatzen für das Verspeisen der Frucht.

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Man ist quasi dauernd am kichern, weil man sich die ganze Zeit denkt: “geil, so hätt ich das auch vertont”. Hinzu kommt noch, dass das Spiel völlig ohne Sprache auskommt. Es lebt von pointierten Geräuschen und von Fantasiegeplapper, mit dem die Sprechblasen unterlegt werden. Im Filmgenre nennt man das übertriebene Untermalen von Bewegungen übrigens “Mickey-Mousing.” Irgendwie muss man ja auch raffen was man tun soll, wenn die Charaktere schon nicht mit einem sprechen.

A propos raffen. Wenn es überhaupt etwas zu meckern gibt, dann wohl, dass die Rätsel und Spiele sehr ungleich gewichtet sind. Ich hätte mir durchgehend den Schwierigkeitsgrad der letzten Level gewünscht. So habe ich beim zweiten Durchspielen gemerkt, dass es wirklich nur noch reines Durchklicken ist und fast keinerlei Anspruch mehr an den Spieler stellt. Fluch und Segen eines Adventures eben. Deswegen ist es um so wichtiger, dass ihr euch alles genau anguckt und so viel wie nur geht ausprobiert. Manchmal warten ganz witzige Überraschungen, wenn man mehrmals klickt. Und für die Sammler unter euch gilt es 123 Baumwesen zu entdecken. Macht Bock und gibt auch noch ’n bisschen was extra. Und für alle die grad nicht zu gegen waren als der liebe Gott den Orientierungssinn verteilt hat, gibt es natürlich auch eine Map zum jeweiligen Level. Die müsst ihr allerdings erstmal finden. Und selbst dann hat sie mir nicht wirklich weitergeholfen, weil sie mir schon fast zu minimalistisch gestaltet war. Mit anderen Worten: Ich kann sie nicht lesen.

Botanicula

Beschreibung: Botanicula

Also: Circa fünf Stunden Spielspaß für Mac und PC, zum downloaden oder sich ins Regal stellen. Ich finde das Spiel ist seine 19,99 Euro (Retail) respektive 7,99 Euro (Download) definitiv Wert. Allein schon wegen des bezaubernden Grafikstils und des witzigen Soundtracks. Der Soundtrack und ein Poster zum Spiel liegen übrigens besagter Retailversion bei. Schön das im Gaming-Nest eben nicht nur “AAA”-Eier brüten.

Es ist jetzt sicher nicht mein Spiel des Jahres, aber wie sagt man so schön: “It was fun while it lasted.” Der Rest der Redaktion hatte auch noch was davon, als ich laut kichernd vorm PC saß. Und jetzt mal ganz unter uns. Komm näher … noch näher … hört uns auch keiner? Gut! Lieber fünf Stunden ein schnuckliges Adventure als zum x-ten mal durch den 2. Weltkrieg geballert. Aber das hast du nicht von mir gehört!

Ach ja, und wenn ihr gar nicht leben könnt ohne ein Movie dazu, haben wir noch was für euch: Statt eines klassischen Review-Videos oder eines typischen “1 Stunde mit” dachten wir uns, pflanzen wir doch mal was. Also was Echtes, Lebendes, total Natur und so! Wir werden immer mal wieder gucken, wie es unserem zarten Pflänzchen so geht. Namensvorschläge in die Kommentare oder an [email protected]!