Am Freitag ist es soweit und “Max Payne 3” steht endlich in den Läden. Unendliche neun Jahre mussten wir warten, bis wir das dritte (und letzte?) Kapitel der düsteren Ballersaga geliefert bekommen. Damit ihr wisst, worauf ihr euch freuen könnt, fassen wir nochmal alle relevanten Infos für euch zusammen. Außerdem teilen wir unsere ersten Eindrücke nach der ausführlichen Anspiel-Session mit euch. Letztendlich kommt’s doch nur auf eine einzige Frage an: Ist “Max Payne 3” noch Max Payne?

Frisches Blut

Um die Eingangsfrage direkt zu beantworten und damit die Regeln klassischer Dramaturgie keck auszuhebeln: Ein ganz klares Jein.

Bekanntermaßen ist “Max Payne 3” der erste Titel der Reihe, der nicht mehr von Remedy entwickelt wird. Stattdessen hat Rockstar die Programmierung übernommen, der Experte für stil- und gehaltvolle Erwachsenenunterhaltung. Damit standen die Jungs aus Vancouver vor der Herkulesaufgabe, die Essenz von Max Payne zu bewahren und die Reihe dennoch stilistisch und inhaltlich weiterzuentwickeln. Im Klartext heißt das: Eingefleischte Fans der Serie (also gut 94,7% aller Leute, die diesen Text hier lesen) müssen sich auf eine Handvoll Neuerungen gefasst machen, die sich vom gewohnten Look deutlich wegbewegen. Ja, Max Payne ist älter geworden und etwas fülliger. Er trägt jetzt einen Vollbart und hat sich eine Glatze geschoren. Und diesmal fliegen die Kugeln nicht nur durch dunkle Gassen, sondern meist durch die sonnendurchfluteten Slums von São Paulo.

Der unvermeidliche Shitstorm besserwisserischer Fans, die sich reflexartig “verraten” fühlten und den Glatzen-Max scheiße fanden, ist mittlerweile ja schon längst abgeklungen; auch der hartnäckigste “Früher war alles besser”-Schwarzseher hat mittlerweile akzeptiert, dass “Max Payne 3” eben kein bloßer Aufguss älterer Ideen ist. Aus sofortiger Ablehnung ist Skepsis geworden und aus dieser zaghafte Vorfreude – so zumindest kommt es mir in diversen Kommentaren, Vorschauen und Tweets vor, die sich so kurz vor Release deutlich häufen. Und diese Vorfreude ist berechtigt, denn nach den ersten paar Spielstunden kann ich bestätigen: “Max Payne 3” fühlt sich über weite Strecken immer noch an wie Max Payne. Solltet ihr allerdings der Fraktion angehören, für die Max Payne nur dann funktioniert, wenn er einen schwarzen Mantel trägt und die Story in Comic-Panels erzählt wird, dann werdet ihr mit Teil 3 vermutlich niemals warm werden.

Es ist abzusehen, dass es vielen nicht reichen wird, “nur” einen großartigen Actiontitel und eine mutige, konsequente und eigenständige Fortsetzung zu bekommen. “Max Payne 3” wird uns vermutlich nicht mehr so mitreißen, fesseln, schlichtweg aus den Latschen hauen wie es noch der erste Teil geschafft hat. “Max Payne” schlug vor elf Jahren ein wie eine Bombe und hat bis heute bleibenden Eindruck in unserem kollektiven Gamer-Bewusstsein und in der Popkultur hinterlassen. Teil 3 hat nicht mehr den Thrill des Neuen, Unerwarteten – der psychisch zerrissene Antiheld, eine filmreife Story und stilisierte Baller-Duelle in Zeitlupe sind mittlerweile erwartbarer Standard, fast schon ein Klischee. Max Paynes größter Gegner ist paradoxerweise er selbst. Vergleiche mit den genre-definierenden Vorgängern sind zwangsläufig, und ebenso zwangsläufig wird “Max Payne 3” da verlieren.

Sommer, Palmen, Sonnenschein?

Aber Moment mal – wieso haben wir denn überhaupt diesen radikalen Szenenwechsel nach Brasilien? Und wieso sieht der olle Max jetzt aus wie Zach Galifianakis nach einem echt miesen Hangover-Tag? Nun, die Auflösung dieses vermeintlichen Mysterium ist gar nicht mal so originell: Durch den Tod seiner Liebsten völlig traumatisiert und dem Alkohol verfallen, schmeißt er den Polizeidienst kurzerhand hin, wandert nach São Paulo aus und heuert da als Sicherheitsberater des einflussreichen Immobilienmoguls Rodrigo Branco an. Dass aus einem vermeintlich harmlosen Job alsbald ein blutiges Desaster wird, kann sich wohl jeder denken, der die letzten Jahre nicht nur mit Pokemon und Farmville verbracht hat. Schnell findet sich Max Payne wieder in einem Sumpf aus Gewalt und Verbrechen, dem man nur auf eine Art begegnen kann: Mit jeder Menge Wummen. Und einer Glatze. Wenn sich ein halb psychopathischer Ex-Bulle eine Glatze rasiert, weiß jeder: Ab jetzt wird’s persönlich.

Aber keine Angst: In Rückblenden werden wir auch den “alten”, schwarzhaarigen Max wiedertreffen. (Jetzt mal ehrlich, das war doch klar, oder?) Diese Flashback sind nicht nur Fanservice, sondern verknüpfen das Damals mit dem Jetzt und zeigen uns, unter welchen Umständen Maxe nach Brasilien kam. Die Geister der Vergangenheit plagen ihn noch immer, den Verlust seiner Familie und Mona Sax kann Max bis heute nicht verkraften. Ganz klar: Max Payne ist endgültig ein gebrochener Mann. Zum Glück habe ich etwas Ähnliches nie erleben müssen, deswegen kann ich mir auch kein Urteil darüber erlauben, wie lange man deswegen depressiv sein darf … aber so langsam wirkt das ja schon ein bisschen emo. Reiß dich mal zusammen, Kumpel.

Geeeeeileeeee Aaaaaactioooooooonnnnn

Max Payne nun also im Hawaiihemd und ohne Ledermantel – das ist erst mal ein ähnliches Sakrileg als würde man Indiana Jones ohne Peitsche und Hut zeigen. Die stylishen Comicbilder der Vorgänger sind auch nicht mehr drin, stattdessen orientiert sich die Inszenierung der Zwischensequenzen an modernen Thrillern wie 24 – inklusive schneller Schnitte, Splitscreens und Visualisierung wichtiger Wörter innerhalb der Dialoge (so steht etwa das Wort “Mord” auf dem Screen, wenn es ein Charakter im Satz benutzt). Klingt alles ungewohnt und ist es erst mal auch. Aber spätestens, wenn ihr das erste Mal in die Luft hechtet, die Zeitlupe einschaltet und wie ein fetter Adler wüst ballernd durch die Luft segelt, ist es wieder voll da: Das alte Max-Payne-Gefühl.

Die Jungs von Rockstar haben die Schusswechsel um ein paar sinnvolle neue Features bereichert: Sobald ihr den letzten Halunken einer Feindeswelle erledigt, schaltet das Spiel kurz in die Nahaufnahme und zeigt euch detailliert, wo eure Kugel in den Lumpen-Leib einschlägt. Diese Szenen sind streckenweise wirklich haarsträubend brutal und sorgen desöfteren für ein mitfühlendes “Autsch!” beim Spieler. Gleichzeitig ist es extrem befriedigend, einen miesen Gangster mit DEM goldenen Schuss auszuschalten – das mag man moralisch verwerflich finden, stimmt aber. Huch, hoffentlich lesen das die Spitzenjournalisten von Frontal 21 nicht!

Apropos goldener Schuss: Mit einem solchen könnt ihr auch dem Bildschirmtod von der Schippe springen. Sackt ihr im Kugelhagel zusammen, richtet sich die virtuelle Kamera automatisch auf den Typen aus, der euch den finalen Treffer verpasst habt – wenn ihr noch mindestens eine Packung Painkiller im Inventar habt. Ihr habt jetzt ein paar Sekunden Zeit, ihn anzuvisieren und eurerseits mit einem wohlplatzierten Schuss auszuknipsen. Schafft ihr den Revanche-Treffer, bekommt ihr einen Energie-Boost und dürft weiterspielen. So habt ihr nicht nur die Genugtuung, einem frechen Mistkerl sofort die tödliche Quittung für seinen Angriff zu geben, sondern werdet zudem nicht permanent durch einen unschönen Game-Over-Screen aus dem Spielfluss gerissen.

Sieht gut aus

Technisch gibt sich “Max Payne 3” keine Blöße. Mimik und Gestik der abgefilmten Schauspieler sind überzeugend realistisch, zudem sorgt eine ganze Palette ausgeklügelter Animationen für besonders lebensechte Bewegungsabläufe. Vor allem bei Max selber kommt die Liebe zum Detail zum Tragen: Je nachdem, ob er zwei oder nur eine Waffe mit sich führt, stützt er sich entsprechend mit der freien Hand ab oder kracht auf die Schulter, wenn er nach einem Hechtsprung auf dem Boden landet. So mancher missglückter Flugversuch hat beim gemeinsamen Anspielen übrigens für sehr viel Heiterkeit gesorgt – etwa, wenn man so ein Kunststück in einem zu kleinen Raum probiert und dann volle Kanne mit der Fresse gegen die Wand brettert. Ich hab mich auch mal von der obersten Sitzreihe einer Stadion-Tribüne geworfen und bin sekundenlang elfengleich dem Erdboden entgegen geflogen. Den Aufprall hab’ ich dann leider nicht überlebt, aber verdammt: Das war es wert. Ihr werdet ähnliche Momente haben.

Die Mehrspielermodi konnten wir leider noch nicht ausprobieren. Aber die Jungs von Rockstar haben uns versichert, dass ihr auch beim fröhlichen Gruppen-Ballern auf die überlebenswichtige Bullet Time werdet zugreifen können. Die Idee: Sobald ihr einen Mitspieler sehen könnt (oder er euch; entscheidend ist der Blickkontakt) und einer von euch die Bullet Time auslöst, wird die Reaktionszeit des anderen Mitspielers verzögert. Ob das in der Praxis funktioniert, werden wir alle ab Freitag rausfinden – wenn die Server laufen sollten, was ja nicht jeder große Publisher hinkriegt (erzwungener Seitenhieb auf Blizzard – check).

Also, was sagen wir?

Ich habe es schon angerissen: Ich bin ziemlich sicher, dass “Max Payne 3” objektiv gesehen ein hervorragender, geil aussehender und flott spielbarer Actionknaller wird, der sich keine gravierenden Fehler leisten wird. Das Problem werden die Fans sein, oder genauer: Unsere kaum zu erfüllende Erwartungshaltung. Und die Tatsache, dass wir alle seit dem ersten Teil elf Jahre älter geworden sind. Und vielleicht nicht mehr so leicht zu beeindrucken.

Nur wenige Videospiel-Charaktere haben so einen bleibenden Eindruck hinterlassen wie der alkoholabhängige Bulle mit dem zerkniffenen Gesicht. Jeder von uns hat ein klar defininiertes Bild vor Augen, wenn er den Namen Max Payne hört. Max Payne, das ist Regen, das sind dunkle Ecken, schwarze Mäntel, undurchsichtige Frauenfiguren, Max Payne ist Film Noir. “Max Payne 3” ist hingegen wie ein hochwertig produzierter, zynischer Actionfilm, der sich bemüht, alles richtig zu machen. Und ich glaube, dass er das auch schafft. Aber vielleicht brauchen wir ein bisschen Zeit, um das zu erkennen.

Max Payne 3

Beschreibung: Max Payne 3

Das klärt sich alles am Freitag, den 18. Mai, wenn “Max Payne 3” endlich für PS3 und Xbox 360 erscheint, PC-Spieler sind erst am 1. Juni dran. Was glaubt ihr – wird “Max Payne 3” die Reihe glorreich weiterführen oder eine Legende für immer beschädigen?