Achtung: Es folgt ein etwas ungewöhnliches 1 Stunde mit in mehreren Teilen: Der Haupttext ist von Felix, am Ende findet ihr noch ein kurzes Review von Wolf.
Ach ja: Wir labern im Video viel. Sehr viel. Es musste ja auch sehr viel besprochen werden! Daher ein Wort der Warnung: Wenn ihr zu den Leuten gehört, die sich darüber aufregen, wenn wir über Zwischensequenzen labern, dann SCHAUT EUCH DIESES VIDEO NICHT AN.
Ihr wurdet gewarnt.




Im Jahr 1983 war Helmut Kohl gerade ein Jahr lang Kanzler (und der Autor dieser Zeilen noch in Abrahams Wurstkessel), als das Spiel “Dragon’s Lair” in Spielhallen erschien. “Dragon’s Lair” war im Grunde ein Zeichentrickfilm, der in bestimmten Momenten unterbrochen wurde, in denen der Spieler entweder in einem nanosekundengroßen Zeitfenster den richtigen Knopf drückte oder starb. Es war, streng betrachtet, nicht mal ein guter Trickfilm: Keine 20 Minuten lang und nichts als eine stete Abfolge aus Actionszenen, in denen ein trotteliger Ritter zum supertollen Helden mutierte, der am Ende die Prinzessin klarmachte. Nichts Weltbewegendes. Aber es war interaktiv, und damit eine Einzigartigkeit.

Fast 30 Jahre später sitze ich in Hamburg, sehe den vielmehr dritten und letzten Abspann eines aktuellen Spiels, und fühle mich an “Dragon’s Lair” erinnert.

Es ist knapp über ein Jahr her, seit Platinum Games’ “Bayonetta” mit nichts als Stilettos und Haupthaar bekleidet Schockwellen durch die Spielelandschaft schickte. Zwar war einigen Kritikern die hemmungslose Exzentrik von so ziemlich jedem Spielelement zuviel des Guten, doch über 1,5 Millionen verkaufte Einheiten für einen japanischen Actionprügler sprachen eine deutliche Sprache. Nach Jahren, in denen sich der westliche Spielemarkt immer mehr vom japanischen loslöste, war “Bayonetta” ein nerdiges, spektakulär durchgedrehtes Nischen-Kleinod, auf das man sich auf beiden Seiten des Erdballs einigen konnte.

Als dann zur letzten E3 die Trailer zu “Asura’s Wrath” aufschlugen, sah die Sache sicher aus: Japan weiß, was wir wollen. Und Japan liefert.

Nun ja.

Ich bringe es gleich auf den Punkt: “Asura’s Wrath” geht in genau die Richtung, die ich den Japanern leicht übel nehme. “Asura’s Wrath” wäre eigentlich lieber eine Anime-Serie. Das merkt man schon dem Aufbau des Spiels an: 18 Episoden, die “gespielt” tatsächlich so lang sind wie eine handelsübliche Folge Dragon Ball (20 bis 25 Minuten) verteilen sich auf drei große Kapitel. Jede der 18 Episoden hat einen Vorspann mit Credits. Jede der 18 Episoden hat einen Werbetrenner in der Mitte. Jede Episode hat etwas, was mal mehr und mal weniger als “Cliffhanger” bezeichnet werden kann.

Es ist jetzt weißgott nichts Neues, die pure, leicht angestaubte Levelstruktur eines Spiels durch das Umtaufen in “Episoden” mehr Zusammenhang zu verleihen. Man braucht gar nicht so weit gehen und das gurkige “Lost: Via Domus” bzw. das ähnlich gurkige “Alone in the Dark” hinterm Ofen hervorzuholen. “Bayonetta” selbst war in mehrere “Akte”, “Aufzüge”, “Prologe” und “Präludien” unterteilt. Was im allgemeinen Crazyness-Quatsch leicht unterging. “Bayonetta” hatte Zwischensequenzen, Quick-Time-Events und Nonsens-Dialoge während theatralisch überinszenierter Kämpfe – all das findet sich so auch in “Asura’s Wrath”. Trotzdem sind beide Spiele, und das wird viele enttäuschen, fundamental unterschiedlich.

Denn was “Asura” vom Sexy-Sekretärinnen-Traum schlechthin unterscheidet, ist die Nähe zu “Dragon’s Lair”. Die meiste Zeit ist “Asura’s Wrath” nämlich alles andere als interaktiv, oder, noch schlimmer: Täuscht die Interaktivität nur vor. “Asura’s Wrath” degradiert den Spieler oft, zu oft, zum passiven Gucker einer für das RTL2-Nachmittagsprogramm zu brutalen Animeserie. Das Verhältnis zwischen Spielzeit und Zwischensequenzen ist hier, wie auch bei einigen anderen Spielen der jüngeren Vergangenheit aus Japan, völlig aus den Fugen geraten. Wo “Metal Gear Solid 4” jede halbe Stunde Spiel mit einer Stunde Cutscenes “belohnte”, rechnet einem “Asura’s Wrath” nach jedem Kapitel die reine Spielzeit vor – und man kriegt Schwarz auf Weiß den Beleg, von 15 Minuten nur etwas mehr als 60 Sekunden gespielt zu haben.

Asura's Wrath

Beschreibung:

Darin enthalten ist die Zeit, in der man wirklich etwas macht, sich bewegt, kämpft, kloppt, prügelt. Oder wie im Railshooter “Panzer Dragoon” Gegner mit dem Fadenkreuz markiert und mit einem Knopfdruck kollektiv abknallt. Alles andere: Cutscenes mit Quick-Time-Events. Und im Gegensatz zu “Dragon’s Lair” und anderen Genrevertretern muss man die QTEs nicht einmal meistern, damit das Spiel weitergeht. Offenbar wollten die Macher nicht, dass Spieler die bittere Konsequenz zu spüren bekommen, die mit einer – bei allem Respekt – beschissenen Designentscheidung wie dem Zurückgreifen auf QTEs einhergeht: Der Spielabbruch. Und diese Eierlosigkeit regt mich eigentlich noch mehr auf als deren Einfallslosigkeit.

Wenn die Story denn wenigstens was taugen würde. Das tut sie leider nicht: Wir haben den üblichen pubertär-präpotenten Quatsch, den man aus Shonen-Mangas und -Animes kennt. “Du hast mich einfach so verraten und meine Familie umgebracht weil dir meine Nase nicht passte, ich hau dich so weg du Knilch” -“Blablablablabla ICHBINVIELSTÄRKERALSDU rararabra” und repeat. Wird Asura seine Tocher retten? Wird der böse Obermotz seine verdiente Portion Backenzucker verpasst kriegen? Ich kann die Antwort kaum abwarten.

Das soll genau so enttäuscht klingen wie es sich liest, denn WENN man dann mal spielen darf, macht es tatsächlich Spaß. Ja, es ist im Grunde eine Endgegnerparade mit eingesprenkelten Bauernopfern, die man im Vorbeigehen rundmacht. Doch von den Kämpfen haben die meisten Spaß gemacht, ausgenommen der eine oder andere fade Bosskampf. Die Steuerung ist einfach und eingängig und das Kampfsystem nicht sonderlich komplex auf Kombos ausgelegt, sondern auf Ausweichmanöver und Konter. Ähnlich den Naruto-Spielen von CyberConnect2 (Die auch “Asura’s Wrath” entwickelten) kämpft man frei in Arenen und kann sich dort frei bewegen. Warum es in diesen ansonsten leeren Räumen Kameraprobleme gibt, kann ich zwar auch nicht sagen, aber DAS ist, im Gegensatz zum weiter oben geschriebenen, kein großes Problem.

Aber genug gelabert – ihr wollt das Ding in Action sehen. Biddeschön: Der Bärtige und der andere spielen für euch “Asura’s Wrath” -eine Stunde Gesichtskirmes in XXL:

Es ist schade, dass “Asura’s Wrath” eher den Bereich der “Visual Novel” ergänzt. Im Bereich der Brawler oder Action-Prügelspiele beziehungsweise Third-Person-Hero-Driven-Action-Games, wie auch immer man sie nennen mag, wird es keinen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Jetzt ist Platinum Games am Zug. Und, mal ehrlich: Dass ein kleiner, erst vor wenigen Jahren gegründeter Indie-Entwickler den über Jahrzehnte hinweg etablierten Entwickler-Dickschiffen von Sega über Square und eben Capcom zeigt, wie’s gemacht wird, lässt einen schon wieder sorgenvoller zum anderen Ende der Welt schielen.




Ultra-Kurz-Review von Wolf – am besten erst NACH dem Video lesen:

Mittlerweile habe ich “Asura’s Wrath” durchgespielt – wer an meinem abschließenden Urteil interessiert ist, der horche interessiert auf:

“Asura’s Wrath” ist eine Mogelpackung. Bei aller Sympathie für abgedrehte Konzepte, wagemutige Gameplay-Ideen und typisch japanischen Wahnsinn: Diesen Möchtegern-Anime zum Vollpreis in die Läden zu bringen, grenzt fast schon an Frechheit. Wer sich schon beim PS3-exklusiven Psychothriller “Heavy Rain” darüber aufgeregt hat, dass man ja “nur Knöpfchen drücken” musste, dürfte bei “Asura” einen mittelschweren Tobsuchtsanfall erleiden. Von einigen wenigen, öden, weil immergleichen Kampfeinlagen abgesehen, beschränkt sich euer Mitwirken bei “Asura” von Anfang bis Ende darauf, zur richtigen Zeit die richtigen Tasten zu drücken. Und wenn ihr mal zu langsam seid, ist das kein Grund zu Panik: Die meisten Szenen laufen einfach weiter, ihr bekommt nur ein paar Bewertungspunkte abgezogen.

Das wäre ja vielleicht alles nicht so schlimm, wenn “Asura’s Wrath” wenigstens gut geschrieben wäre, mich mitgerissen hätte, wenn ich emotional gepackt gewesen wäre, wie es eben noch bei “Heavy Rain” war, wo ich regelmäßig in kalten Schweiß ausgebrochen bin (Stichwort Apartment-Szene mit Madison). Aber irgendwo zwischen androgynen Weltraumgenerälen, meterhohen Monsterelefanten und hüpfenden Polygontitten im Dampfbad bin ich emotional ausgestiegen. Die ach-so-epische Geschichte um Betrug, Rache und Liebe ist nur ein fadenscheiniger Aufhänger, um einen charakterlosen Haudrauf brüllend und prügelnd einmal in die digitale Hölle und zurück zu schicken. Der Versuch, Asura NOCH wütender, NOCH härter, NOCH krasser als sein offensichtliches Vorbild Kratos zu machen, scheitert auf ganzer Linie. Kratos war ein Getriebener, schuldig am Mord an seiner eigenen Familie, zerrissen von Schuld und Hass, die ihn in den Wahn und sogar bis in den Tod treiben. Asura brüllt immer nur. Asura kennt nur eine Emotion: Wut. Auf alles und jeden, ohne Ziel und Richtung, Wut der Wut wegen. Das ist ein bisschen dünne.

Asura als Spielecharakter kann man ungefähr so zusammenfassen:

Nichts in “Asura’s Wrath” passt so richtig zusammen, ein wirklicher Spielfluss kommt bis zum Schluss kaum auf. Die episodische Unterteilung trägt nichts zur Dramaturgie und zum Spannungsaufbau bei, sondern ist schlichtweg kontraproduktiv und unkomfortabel (das Weiterspielen muss nach jeder abgeschlossenen Episode manuell bestätigt werden). Auch die substanzlosen “Werbebreaks” sind nicht mehr als ein eitles, ziellos eingesetztes Gimmick: Das Spiel unterbricht kurz für ein Standbild, nach ein paar Sekunden kommt ein anderes Standbild und dann geht es weiter. Was soll das? Wenn sich die Designer wenigstens die Mühe gemacht hätten, ein paar Dutzend Fake-Werbeclips zu erfinden und die an entsprechenden Stellen einzuspielen, wäre das noch charmant gewesen – ein augenzwinkernder Verweis darauf, das hysterische Geschehen auf dem Bildschirm nicht zu ernst zu nehmen (und eine unbezahlbare Gelegenheit für eine beißende Satire über die Nerd-Generation). “Asura” macht nichts davon. So zeigen die ganzen Mätzchen, das Anbiedern an Anime-Strukturen, das Hecheln nach noch mehr Gigantismus, dieses ganze GETUE, nur eines: Dass die Coder selbst nicht so recht wussten, was “Asura’s Wrath” denn nun sein sollte.

Zum einmaligen Durchspielen der Schauwerte wegen langt’s allemal – ich bin ja auch bis zum Schluss dran geblieben (und kann Felix an dieser Stelle widersprechen: Der Endkampf ist sogar ziemlich einfach, wenn man weiß, wie’s geht – und in der geheimen 18. Episode spielt dann doch noch die verschollene Olga eine tragende Rolle). Jedem Interessieren lege ich trotzdem dringend nahe, sich den Titel einfach mal für zwei Abende auszuleihen, statt eure sauer verdiente Kohle dafür auszugeben. Dafür ist “Asura’s Wrath” zu wenig Spiel und zu viel Schein. Unter dem Strich: enttäuschend.

Was haltet ihr von “Asura’s Wrath”?