Der Finger, der gute Zeigefinger. Viele lustige Sachen kann man mit ihm machen. Zum Beispiel in der Nase bohren. Oder auch mal zur Abwechslung im Bauchnabel. Natürlich kann man mit ihm auch viele andere tolle Sachen machen, wie zum Beispiel ihn zur Philosophie eines ganzen Fernsehsenders zu machen. Der Zeigefinger, der auf Sachen zeigt, die aus echter, journalistischer Überzeugung gezeigt werden müssen.

Der Fernsehsender RTL und im speziellen das Format RTL Explosiv beherrscht die großzügige Geste des Zeigefingers wie nichts anderes. Sie zeigen Sachen und Sachverhalte auf, die das Leben scheinbar lebenswert(er) machen und uns Menschen in die Schubladen „Star“, „Bürger“ und „Freak“ stecken. Oder vielleicht nur in cool und uncool. Kein anderer Sender beherrscht das Kunstwerk des Fingerzeigens so gut wie der erfolgreichste Sender Deutschlands. Den Zusammenhang zwischen Erfolg und Fingerzeig brauchen wir hier nicht weiter zu beschreiben. „Mein RTL“ zeigt auf „Messis“, alte verwirrte Menschen, Freaks, Nerds, und generell auf alle anderen „Dinge“, die man in reißerischen Formaten zur Schau stellen und somit zu einer Lachnummer machen kann. Das zieht schließlich am Besten.

Der Fingerzeig deutet dabei immer auf Sachverhalte, bei denen man klare Positionen und somit auch klare Meinungen beziehen kann. Im Falle von einem RTL Explosiv-Bericht zur diesjährigen gamescom sind diesbezüglich die Rollen klar verteilt. Es gibt (uns) Freaks und eine sexy Studentin. Wer nun wie wem seinen Zeigefinger ins Gesicht hält, solltet ihr selbst sehen. Falls das Video aus dem Netz genommen werden sollte, hier zumindest mal die Einstiegs-Moderation der Moderatorin Nazan Eckes:
„Sollten irgendwann doch Außerirdische bei uns auf der Erde landen, könnten sie auf folgender Veranstaltung wirklich enge Freundschaften schließen. Wir wissen zwar, dass es auf der gamescom in Köln, der größten europäischen Spielemesse, um virtuelle Spielewelten geht, trotzdem laufen da teilweise echt komische Gestalten herum. Steffi XXX, Thomas XXX und Tim XXX haben versucht, sie zu durchschauen.“

[Anmerkung: Erwartungsgemäß lässt RTL gerade die überall kursierenden youtube-Clips des Beitrags sperren. Um uns nicht angreifbar zu machen, haben wir uns entschieden, die Einbindung des Clips aus unserem Blog zu entfernen. Jeder Interessierte wird aber dennoch genügend Möglichkeiten haben, sich den casus belli IRGENDWO (hust) anzusehen. Ihr wisst schon. Okay, weiter im Text:]

Soviel dazu. Es ist schon wahnwitzig, sich über junge Menschen lustig zu machen, die selbst sagen, dass ihnen Äußerlichkeiten nicht so wichtig sind. Es ist fast schon diskrimminierend, Menschen, die andere Geschmäcker haben, öffentlich zu diffamieren und gleichzeitig eine oberflächliche, halbnackte Messe-Hostess als Juror von Menschen über die Messe zu schicken. Es ist einfach nur traurig, dass als inhaltliche “Klammer” das Klischee des freundinlosen Gamers herhalten muss, nur um aus redaktioneller Sicht einen “in sich schlüssigen Beitrag” zu generieren. Wir waren selbst auf der Messe. Und Mensch, was hab ich viele “normale” Menschen gesehen.

Kein Bock auf das gleiche Spiel

Die Spielregeln, nach denen die Redakteure dieses Beitrages „gespielt“ haben, sind ganz alte, klassische Fernsehschule. Wir TV-Redakteure bilden Meinungen, in dem wir gezielt auf etwas Polarisierendes zeigen. Wir versehen den ganzen Beitrag mit reißerischer Musik, um die gezielte Meinungsmache noch zu unterstützen. Wir suchen uns Extreme, damit dem Zuschauer nichts anderes bleibt, als entweder für oder gegen die offensichtlich extreme Meinung der Redakteure zu sein.

Was könnte ich mich noch weiter über den gezeigten Schwachsinn aufregen, so wie es viele Kollegen bereits getan haben. Aber da habe ich einfach keinen Bock drauf. Kein Bock, mich an „deren Spiel“ zu beteiligen. Und doch tue ich es, in dem ich diesen belanglosen TV-Beitrag gerade in diesem Moment sachte und gefühlvoll mit Senf bestreiche.

Es geht meiner Meinung aber um viel mehr, als nur um einen schlechten Fernsehbericht. Der Bericht ist mir im Grunde egal, sogar die Studentin ist mir egal. Was mir nicht egal ist, ist das Thema. Und das Thema sind wir. Das Thema ist die diesjährige Gamescom, das Thema sind Leute, die zu hunderttausenden (insgesamt 275.000! Besucher) in Hallen strömen, um unter Gleichgesinnten zu sein.
Anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen, sich über Schweiß, Geruch und Style zu streiten, gehen wir aufeinander zu. Wir sagen hallo, lachen uns gegenseitig wegen komischer Kostüme, Verkleidungen und Haarfarben aus. Wir drängeln uns in eine Warteschlange von vier Stunden, um für wenige Minuten ein Spiel unserer Wahl zu spielen. Und wir bilden uns selbst unsere Meinung, egal um was es eigentlich geht. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf braucht man sich über ein RTL Explosiv, eine Nazan Eckes, eine Studentin und insgesamt 5 Minuten und 24 Sekunden belanglosen Schwachsinn gar nicht mehr aufzuregen. Warum denn auch?!

Uns sind die Menschen, die Liebe zum Detail und das Herzblut an einem Thema wichtiger als alles andere. Wer brauch da schon einen Zeigefinger, wenn man einen Daumen hat, den man sich gegenseitig zeigen kann? Thumbs up, Leude.