Die Sonne scheint, die Vögel singen und in der Bäckerei duftet es nach frisch gebackenen Brötchen. Eine hübsche, blonde, rund 20 Jahre alte Verkäuferin packt meine erworbene Backware in die grün-weiß gestreifte Tüte. “Guten Appetit und einen schönen Abend”, heißt es. Ich drehe mich um und wie aus Reflex verlassen die Worte: “Alles klar, Schlampe” meinen Mund.

Szenenwechsel: Ich laufe durch die Stadt, pfeife eine fröhliche Melodie und werde von einem älteren Mann mit Hut und Krawatte bei dessen Überholmanöver leicht an der Schulter berührt. “Was fällt dir ein du verdammter Penner? Möge eine Herde scharfer Elefanten über deine Mutter herfallen und sie bestrafen!”, schreie ich ihm hinterher. Er dreht sich um, guckt verstört und geht weiter. Als ich weitergehe, bemerke ich eine alte Frau mit schweren Taschen und Hinkefuß. Statt ihr den Arm zu reichen und sie eine Treppe hinunter zu begleiten, stelle ich mich vor die Dame, lache sie aus und gehe weiter.

Situationen, wie sie in der realen Welt voraussichtlich nicht vorkommen werden. In Onlinespielen wird Benehmen klein geschrieben – und das obwohl es ein Nomen ist. Haha, Schenkelklopfer. Egal, weiter im Text: Begriffe wie “CS-Kiddie” oder “Flamer” sind keine Erfindung der vergangenen zwei Wochen, doch seit geraumer Zeit scheint es, als verändere sich ein Großteil der Spieler und kehre immer – und ich meine wirklich immer – ihre schlechte Seite nach außen.

Beispiele gibt es Hunderte, doch wo beginnen Onlinemanieren und wo enden sie? Bei meinen Recherchen zu einem von mir geplanten Videoguide des Onlinespiels “Heroes of Newerth” und privaten Partien in “Battlefield: Bad Company 2” wurde mir klar, dass Benehmen im Internet von Spielecommunity zu Spielecommunity unterschiedlich definiert ist.

Während in “Heroes of Newerth” kaum eine öffentliche Partie vergeht, in der – selbst im dominierenden Siegerteam – keine Wut- oder Kraftausdrücke fallen, gibt es in “Battlefield: Bad Company 2” kaum oder nur vereinzelt Schimpfworte zu lesen oder zu hören. Ich würde sogar behaupten, dass “Retard” das meistgeschriebene Wort innerhalb der Partien von “Heroes of Newerth” ist. Gleich danach folgen “leave noob” und “dude fuck you srsly”. Wenn das Team gewinnt, dann wird der Gegner beleidigt. Wenn das Team verliert, werden die eigenen Mitspieler und die Widersacher mit Beleidigungen bombardiert.

Für diejenigen unter euch, die nicht mit “Heroes of Newerth” vertraut sind: In dem Action-Strategietitel spielen meist zwei Teams aus jeweils fünf Personen gegeneinander. Jeder Spieler hat eine streng zugeteilte Rolle, übernimmt einen Helden, kämpft mit seinen Freunden gegen gegnerische Einheiten und eine Partie kann locker 60 bis 90 Minuten dauern. Zu Beginn einer Partie werden die Charaktere verteilt und jeder bekommt damit seine festvorgeschriebene Position im Team zugewiesen – sobald auch nur im Ansatz zu erkennen ist, dass ein Neuling im Spiel ist, wird dieser von einem Großteil der Spieler des eigenen Teams mit fiesen Ansagen bombardiert.

Eine Theorie: Es liegt daran, dass es zum einen Erfahrungspunkte für Spielsiege hagelt, aber auch daran, dass es eine Abschuss-Todes-Statistik gibt. Ein ähnliches Bild bietet sich nämlich auch in jedem Teil von “Call of Duty”. Dass eine Parte so lange dauert, ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Spiele wie “Battlefield: Bad Company 2” hingegen, bei denen nicht die Kill-Death-Statistik das primäre, ausschlaggebende Leistungsmerkmal ist, sondern eher die Teamscore, sind da ein wenig offener für Anfänger. Hier wird wirklich geholfen und Anfänger bekommen zumeist auf ihre Fragen eine Antwort.

Noch eine Theorie: Es liegt am Altersdurchschnitt. Je jünger die Community, umso schlimmer das Geflame. Aber: Wenn es danach geht, dann müsste das größte Gewalt- und Flamepotential in der Wii-Community hängen. Alle anderen Plattformen haben doch “ach so erwachsene” Spieler. Zumindest brüsten sich Xbox-360- und Playstation-3-User damit, dass sich auf der Wii nur Kinder und Großmütter tummeln.

Oder ist es gar diese Theorie: Es ist die Entfernung zum Gegenüber und die Tatsache, dass Worte schnell geschrieben sind. Im Internet sind Beleidigungen schnell verfasst – ein ähnliches Prinzip gilt im Straßen- oder Fußgängerverkehr. Während im Auto geflucht wird und jeder sich für einen unglaublich guten und alle anderen für unglaublich schlechte Fahrer hält, passieren komische Dinge; wird ein Fahrer im Ansatz von einem anderen Verkehrsteilnehmer geschnitten, ertönt die Hupe und Schimpfworte sowie nicht jugendfreie Gestikulation und Mimik fliegen aus dem Auto. Passiert sowas mitten in der Innenstadt per pedes, dann entschuldigen sich die betroffenen Parteien beieinander. Ist es der Schutzwall Auto/Internet, der das Benehmen “rechtfertigt”?

Hier ein Klassiker deutschsprachiger Flamekunst. Lustig, wenn es nicht zeitgleich auch so unfassbar traurig wäre. Kinder hören jetzt besser weg. Echt.

Wie seht ihr das? In welchen Spielen gibt es die meisten Flamer? Und weshalb sind diese Menschen in Onlinegames so verbittert?