Na, wieviele von euch sind bei Facebook? Du? Du? Oder du? Möglicherweise habt ihr den Link zu diesem KopfKino-Artikel über Facebook gefunden. Weil ihr euch regelmäßig in dieses größte soziale Netzwerk der Welt einloggt und euer Leben mit der virtuellen Welt teilt. Facebook hat sich von einem kleinen Studiumsprojekt zu einem globalen Phänomen entwickelt, das die Kommunikation auf diesem Planeten grundlegend verändert hat. Und den erst 26-jährigen Gründer Marc Zuckerberg zum jüngsten Milliardär der Geschichte machte. Meister-Regisseur David Fincher zeichnet in „The Social Network“ das Portrait eines hochintelligenten, bis zur Arroganz selbstbewussten Computer-Nerds, der sich doch eigentlich nur nach Anerkennung sehnt. Und – mehr als alles andere – nach einem echten Freund.

Zuckerberg, sehr präzise dargestellt von “Zombieland-” Jungspund Jesse Eisenberg, weist schon in der Einstiegsszene signifikante Schwächen im Umgang mit Mitmenschen auf. Ohne sich dessen bewusst zu sein, macht er seiner Freundin Erica (Rooney Mara, die demnächst im Remake von Stieg Larssons “Millenium”-Trilogie zu Weltruhm kommen wird) zwischen den Zeilen unmissverständlich klar, dass er weitaus klüger sei als sie. Und demnächst auch viel erfolgreicher. Und überhaupt. “Du wirst dir immer einreden, dass die Mädchen dich nicht mögen, weil du ein Nerd bist. Aber das ist nicht wahr. Sie mögen dich nicht, weil du ein Arschloch bist”, sagt Erica zum Abschied, bevor sie Zuckerberg endgültig sitzen lässt. Zuckerberg joggt wütend und verwirrt über den Campus, knallt die Tür zu seinem Studentenzimmer zu, macht sich ein paar Biere auf – und setzt sich an den Rechner. Der Rest ist, wie man so schön sagt, (Medien-)Geschichte.

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“The Social Network” basiert auf dem Buch “Millardär per Zufall”, das die Entstehungsgeschichte von Facebook nachzeichnet. Dessen Autor Ben Mezrich gibt freimütig zu, dass er sich beim Verfassen nicht immer an die tatsächlichen Ereignisse gehalten, sondern gewisse Begebenheiten ganz im Sinne der Dramaturgie zugespitzt, wenn nicht gar frei erfunden hat. Das mag Puristen ärgern, tut dem Film aber nur gut. Wen kümmert es wirklich, ob jeder Dialog zwischen Zuckerberg und seinem Businesspartner und Ex-Kumpel Eduardo Savarin (Andrew Garfield, der nächste Spider-Man) auch ganz authentisch ist? Vermutlich bedeutete der unvermutete Erfolg von Facebook für die Macher auch weitaus mehr trockene Arbeit und weniger ausschweifende Sex-Parties, als der Film behauptet (was auch von einem der Mitgründer bestätigt wurde). Sei’s drum: Sinnvolle Straffungen und die flotte Inszenierung machen „The Social Network“ zu einem faszinierenden Biopic über ein Genie, das wohl ewig unverstanden bleiben wird.

Dass aus der Filmwerkstatt Fincher nur Qualitätsware kommt, setzen wir mittlerweile als gegeben voraus. Und auch sein Facebook-Film leistet sich niemals einen Patzer: Die Ausstattung ist hervorragend, Kameraarbeit und Schnitt sind immer ganz dicht dran an Zuckerberg, ohne ihn wirklich fassen zu können. Aber erst die ausgewählten Schauspieler machen „The Social Network“ zum fast perfekten Filmvergnügen. Vor allem Jesse Eisenberg gelingt das Kunststück, mit seiner Figur nahezu zu verschmelzen, ohne ihr eine konkrete Form zu geben. Wer ist dieses Bürschchen denn nun wirklich? Rücksichtlos egoistischer Geschäftsmann, der dem Profit sogar die besten Freunde opfert? Nur ein schlacksiger Nerd, der die richtige Idee zur richtigen Zeit hatte – und seine Unsicherheit hinter arroganter Attitüde verbirgt? Beides? Nichts davon? Regisseur Fincher interessiert sich mehr für den Menschen Zuckerberg als für dessen Produkt Facebook; nicht obwohl, sondern weil der junge Milliardär Marc Elliot Zuckerberg ein endloses Faszinosum darstellt. Somit ist “The Social Network” denn auch nicht der große 2010er-Zeitgeist-Film geworden, den viele im Vorfeld erwartet haben. Auch Fincher hat keine Antworten auf die Fragen, warum 400 Millionen Menschen ihr Privatleben öffentlich machen, in FarmVille ihre Zeit verschleudern und peinliche Partyfotos ihrer Kollegen kommentieren. Vielleicht wüsste nicht einmal Marc Zuckerberg selber die Antwort.

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Damit heimst Jesse Eisenberg das größte Lob ein und dürfte seinen Marktwert von “Ist das nicht Michael Cera?” auf "Da ist wenigstens eine Oscar-Nominierung fällig“ gesteigert haben. Ein Mann sticht zudem aus dem übrigen Ensemble heraus: Justin “I’m bringing sexy back” Timberlake als Napster-Gründer Sean Parker. Der Pop-Schönling gibt den dezent schmierigen Parker mit der perfekten Mischung aus mitreißendem Enthusiasmus, knallhartem Geschäftssinn und Kokain-bedingter Paranoia; ein ständig quasselnder, immer gut draufer Sonnyboy, der dem Papst auch ein Doppelbett verkaufen könnte. Mit tiefer Bewunderung stelle ich fest, dass ich olle Justin permanent auf die Fresse hauen will, ohne genau zu wissen, warum eigentlich. Denn er will doch nur das Beste für Zuckerberg und sein Erfolg versprechendes, kleines Start-up-Unternehmen! Oder…? Auch Timberlake verleiht seiner Figur eine fesselnde Ambivalenz, die sie vor der Zweidimensionalität rettet. Ich hätt’s ja nicht gedacht, aber: Nach “Alphadog” und “Black Snake Moan” war das schon der dritte Auftritt, der mich beeindruckt hat. Ach, ich geb’s zu: Ich würde gerne mehr Justin Timberlake auf der Leinwand sehen. Habe ich das gerade wirklich geschrieben…?

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Somit gibt es an “The Social Network” nichts ernsthaft auszusetzen. Vielleicht nur dieses: So epochal, so wuchtig, schlichtweg so brillant wie die Meisterwerke “Sieben” und “Fightclub” ist der Film nicht geworden. Denn auch wenn das Zuckerberg-Biopic beizeiten anmutet wie ein Thriller aus der beinharten Business-Welt, ist sein Ausgang während der 120 Filmminuten doch recht klar. Die alles entscheidende Frage, ob der verklagte Zuckerberg sein Vermögen wegen Ideenklaus verliert und die Seite dicht machen muss, ist im Grunde keine – ein kurzer Klick auf facebook.com dürfte als Antwort genügen. Und vielleicht wäre ein Erklärungsversuch für das Phänomen Facebook an mancher Stelle eben doch spannender gewesen als detaillierte Verhandlungen über Ablösesummen und Vertragsklauseln. Aber das ist, wie so vieles, Geschmackssache – und außerdem kann man Regisseur Fincher einen eher trockenen als philosophischen Ansatz per se nicht zum Vorwurf machen. Somit bleibt mir nur, euch ab morgen in “The Social Network” zu schicken, der gerade sehr zu Recht die US-Kinocharts anführt. Vielleicht nicht Finchers bester Film – aber mit Sicherheit einer der besten des Jahres.



Schaut ihr euch “The Social Network” ab dem 7. Oktober im Kino an? Oder lässt euch der ganze Facebook-Hype kalt?