“1378(km)” ist der Name einer kostenlosen “Half-Life 2”-Modifikation, die Game-Designer und Medienkünstler Jens M. Stober während seines Studiums im Fach Medienkunst Game/InfoArt unter der Leitung von Prof. Michael Bielicky an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe realisieren will.

Derzeit gibt es eine heiße Diskussion um genau diese unscheinbare Mod. Der Hintergrund: Am 3. Oktober 2010 feiert Deutschland zum zwanzigsten Mal den Tag der Deutschen Einheit. Passend zu diesem Jubiläum sollte eigentlich “1378(km)” veröffentlicht werden.

Auch wenn ein Großteil von Euch 1990 sicherlich noch ein warmer Gedanke im Kleinhirn der Eltern war, wisst Ihr sicherlich, dass der Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober laut Einigungsvertrag seit 1990 Deutschlands Nationalfeiertag ist. An diesem Tag wurde die Deutsche Wiedervereinigung vollzogen und einige von Euch wurden sicherlich auch durch vollzogene Freude an diesem Tag gezeugt. Wie dem auch sei: Der 3. Oktober ist in Deutschland ein gesetzlicher Feiertag und das ganze Land feiert die Vereinigung von Ost und West. Alle sind happy, glücklich und die Welt erstickt in buntem Konfettiregen. Oder so …

Doch vor diesem ehrwürdigen Tag wurden an der Grenze, die Deutschland spaltete und 1378 Kilometer Grenzzaun enthielt, viele Menschen erschossen und festgenommen, da sie aus der DDR fliehen wollten. Die DDR, die Deutsche Demokratische Republik, war ein diktatorisch regierter, realsozialistischer Staat und bestand von 1949 bis 1990. Aber das wisst ihr sicherlich bereits aus der Schule.

Jens M. Stober will genau diese Grenzflucht thematisieren und damit in das Genre der Serious Games, also der Spiele mit Lerninhalten, rutschen. Das Spiel selbst besteht daraus, dass ein Spieler die Rolle eines Flüchtlings übernimmt und ein anderer die eines Grenzsoldaten. Als Flüchtling müsst Ihr entkommen, als Grenzsoldat müsst Ihr die Flucht verhindern. “1378(km)” spielt im Jahr 1976. 1976 gab es die meisten Mauertoten zu beklagen. 75% der rund einjährigen Entwicklungsszeit habe Stober mit Recherche verbracht.

Die Veröffentlichung der Modifikation für “Half-Life 2” wurde nun auf unbestimmte Zeit verschoben, zum Großteil deshalb, weil Jens M. Stober eine enorme Boulevard- und Nachrichten-Aufmerksamkeit bekam. Auf der offiziellen Webseite zu “1378(km)” findet sich folgendes Statement des Entwicklers: “Auf Grund der „widerwärtigen“ Berichterstattung der BILD-Zeitung („Wird das widerwärtige DDR-Ballerspiel verboten?“, BILD-Online v. 29.09.2010) ist es zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, den Veröffentlichungs- und Präsentationstermin am 3. Oktober einzuhalten, da eine sachliche Diskussion im Augenblick nicht möglich ist.”

“Ein wesentlicher Teil der Kritik bezieht sich auch auf das von mir gewählte Medium Computerspiel. Über Computerspiele als Medium wird zu schnell geurteilt ohne diese genauer zu betrachten. Und so ist es auch bei meinem Kunstprojekt. Es soll dazu dienen, einer jungen Generation mit Hilfe ihres Leitmediums interaktiven Zugang zur jüngsten deutschen Geschichte zu ermöglichen. Mich freut die rege Diskussion und der positive Zuspruch, der meinem Spiel auch zukommt.”, fährt er fort.

Jens M. Stober sagte in einem Interview mit dem ZDF, dass er “versucht Jugendlichen geschichtliches Wissen zu vermitteln und die soziale Interaktion mitzuliefern. So, dass sie merken, ‘ich habe mich falsch verhalten’”. Er bezieht sich darauf, dass der Spieler als Grenzsoldat die Möglichkeit hat den Flüchtling zu erschießen – solllte er dies (zu häufig) tun, muss er allerdings im Jahr 2000 an den sogenannten Mauerschützenprozessen als Angeklagter teilnehmen. Allerdings hat der Spieler ebenfalls die Möglichkeit den Flüchtling festzunehmen.

"Im Computerspiel habe ich – anders als beispielweise in einem Dokumentarfilm – selbst die Kontrolle über mein Verhalten und meine Reaktionen auf in Echtzeit stattfindende und sich verändernde Situationen. Das Spiel “1378(km)” zwingt in der Rolle des „Grenzsoldaten“ nicht, „Flüchtlinge“ zu erschießen. Es lässt Wahlmöglichkeiten. Gewinnen kann man bei “1378(km)” nur, wenn man nicht schießt. Die Regeln des Spiels sind von der innerdeutschen Grenzsituation inspiriert. Grenzanlagen, Todesstreifen und Schießbefehl machen die Brutalität des Spiels aus.", so Stober.

Kritik kam allerdings nicht nur von den Medien. Auch Hubertus Knabe, Leiter der Stasi-Gedenkstätte in Hohenschönhausen, war empört. Er erstattete eine Anzeige bei der Berliner Staatsanwaltschaft – nun muss geprüft werden, ob “1378(km)” Gewalt verherrlicht.

Die Hochschule Karlsruhe meldete sich zur Thematik wie folgt: “Einem Teil der Presseberichterstattung und persönlichen Anschreiben an die Hochschule mussten wir entnehmen, dass sich durch das Spiel Opfer der Todesgrenze oder deren Angehörige verletzt fühlen. Die Leitung der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe bedauert das sehr.” Auch Stober bedauerte die Situation: “Dass sich Opfer der Todesgrenze oder deren Angehörige verletzt fühlen, bedauere ich zutiefst. Es war keineswegs meine Absicht jemanden zu verletzen.”

Weitere Präsentationen von “1378(km)” sollen derzeit allerdings nicht stattfinden. Vielmehr will man eine Beta veröffentlichen und das Spiel anhand des Feedbacks anpassen und überarbeiten. Das Spielmaterial, welches bisher in Trailer- oder Beitragsform zu sehen war, sieht allerdings noch sehr unfertig aus.

Ohne selbst zu viel Meinung in die Diskussion zu werfen: Was haltet Ihr von “1378(km)”?

Fernab von der aktuellen Diskussion um “1378(km)” sind Serious Games ein spannendes Thema. Ihr Hauptaugenmerk liegt nicht in der Unterhaltung sondern in der Wissensvermittlung. Egal ob Ego-Shooter, Puzzle-Spiel oder Militär-Simulator – Serious Games sind in viele Subgenre unterteilt und haben das Ziel eines Lerneffektes gemein. Bekannte Serious Games sind das von der US-Army entwickelte “America’s Army”, “Crayon Physics Deluxe”, “Darfur is Dying”, “Food Force” oder “Re-Mission”.

Trailer zu 1378(km):

Was haltet Ihr generell von Serious Games? Interessieren Euch Spiele mit Lerneffekt?

Quellen u.a.: golem.de, derwesten.de, 1378.de, gameslabor.de, Wikipedia, youtube.com.