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Auf Christopher Nolan lastet ein immenser Erfolgsdruck. Der Regisseur solcher Meisterwerke wie „Memento“ oder „Batman Begins“ muss mit seinem neuen Film nicht weniger als das moderne Unterhaltungskino retten. Hat jemand nach Rohrkrepierern wie „Clash of the Titans“ oder „Predators“ wirklich daran geglaubt, in diesem Jahr noch einen intelligenten Actionfilm zu sehen? „Intelligent? Und Action? Das sind ja gleich zwei Dinge auf einmal!“, mag da so manch gebranntes Kino-Kind skeptisch einwerfen. Kein unvereinbarer Widerspruch – wenn man ein Genie wie Christopher Nolan auf den Regiestuhl setzt. Sein neues Werk „Inception“ vereint atemberaubende Action, verblüffende Trickeffekte und eine hochkomplexe, emotionale Geschichte zu einem faszinierenden Traumbild am Rande der Vorstellungskraft. Ja, „Inception“ wird dem Hype absolut gerecht – und gilt schon jetzt als einer der besten Filme des Jahres 2010.

„Inception“ macht das Privateste, Intimste öffentlich, nämlich unsere Träume. Dom Cobb (Leonardo DiCaprio) ist der beste seiner Zunft, ein Traum-Dieb, der sich in die Gedankenwelt seiner Opfer einklinkt und so quasi im Schlaf an wertvolle Informationen oder brisante Geheimnisse kommt. Doch sein nächster Klient, der undurchsichtige Anzugträger Saito (Ken Watanabe) verlangt viel mehr von Cobb: Er soll nicht aus einem fremden Geist stehlen, er soll etwas einpflanzen – eine Idee, die im Unterbewusstsein des Opfers langsam reift und Gestalt annimmt. So eine „Inception“ ist zwar nicht unmöglich, aber extrem kompliziert und riskant. Zusammen mit seinem Partner Arthur (Joseph Gordon-Levitt), dem Verkleidungskünstler und Teilzeit-Rambo Eames (Tom Hardy) und der jungen Architektur-Studentin Ariadne („Juno“-Zicke Ellen Page) dringt Cobb tief in das Reich zwischen Traum und Wachsein ein – vielleicht zu tief, denn die Realitäten scheinen zu verschwimmen. Doch auch in Cobbs Unterbewusstsein schlummert ein Geheimnis…

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Das Thema Traumwelten (und ihre visuelle Gestaltung) ist seit jeher ein beliebtes Sujet unter Filmemachern. Doch Christopher Nolan geht wie so oft einen Schritt weiter als seine Kollegen und versieht seinen Sommer-Blockbuster mit einer doppelten und dreifachen Falltür: Wenn wir träumen, dass wir träumen, in welchem Traum sind wir dann? Wie können wir unsere ganzen Traum-Ebenen beeinflussen, lenken, kontrollieren? Und noch wichtiger: Wie wachen wir aus einem Traum im Traum auf….?

Ihr merkt es schon, „Inception“ ist nicht der typische Krawumm-Blockbuster, der mit hysterischen CGI-Effekten seine inhaltliche Leere kaschieren will. Nolans schwergewichtiger Psychotrip verlangt eure volle Aufmerksamkeit. „Mal eben eine rauchen gehen“ mitten im Film ist eine sichere Garantie dafür, gar nix mehr zu raffen und zwischen den zahlreichen Erzählebenen rettunglos verloren zu gehen. Wer hingegen mit wachem Geist und offenem Verstand dran bleibt, wird auch belohnt. Selten war die Konstruktion bestimmter Regeln und die Konsequenzen ihrer Nichtbeachtung für die Träumer schlüssiger, stimmiger und überzeugender als hier. An dieser Stelle möchte ich übrigens eine Entwarnung geben an alle, die nun befürchten, ihren Notizblock und Taschenrechner mit ins Kino schmuggeln zu müssen. Natürlich ist „Inception“ durchaus anspruchsvoll. Natürlich hat das Skript mehr Grips als das Gesamtwerk von Roland Emmerich aufeinander gestapelt. Aber Christopher Nolan ist nicht interessiert daran, elitäres Kunstkino für die pseudointellektuelle Cineasten-Elite schaffen. Heißt: „Inception“ ist nicht so wahnsinnig verkopft, wie viele (gerade US-Kritiker) immer wieder behaupten – auch wenn man insbesondere im letzten Drittel aufmerksam zuhören (und hinsehen!) muss, um die Tragweite des Geschehens zu begreifen. Dank Nolans straffer Inszenierung ist aber zu jeder Zeit ziemlich klar, in welcher Traumebene Cobb und seine Kollegen gerade herumdoktorn. Dieser eher kühle und rationale Stil seiner Regie bewahrt den Film dann auch, in kitischige Postkarten-Ästhethik abzudriften. Nolans Traumwelten sind fest in der Realität verankert. Das mag jene enttäuschen, für die Filmträume nur als überbordene CGI-Effektorgien funktionieren (wie etwa in „Hinter dem Horizont“ oder „In meinem Himmel“), passt aber perfekt zur Geschichte und den lebensnahen Figuren.

Apropos: Wie nicht anders zu erwarten, präsentiert sich das Schauspieler-Ensemble souverän mit guten bis sehr guten Leistungen. Unser Leo kann ja ohnehin nicht schlecht spielen, aber auch die Nebenrollen werden von echten Könnern übernommen. Vor allem Joseph Gordon-Levitt besticht als rationaler „Handwerker“ der Gruppe, von dessen Einfallsreichtum das Leben seiner Partner abhängt. Es ist sogar fast ein bisschen schade, dass wir die Charaktere nur oberflächlich kennenlernen. So können sie (laufzeitbedingt) die Dynamik eines ungleichen Teams nur andeuten, aber nicht ausloten. In „Inception“ steht eindeutig die Geschichte an erster Stelle, die Protagonisten reihen sich brav dahinter ein. Dass wir trotzdem mit ihnen mitfiebern, mitträumen und miträtseln ist das unbestrittene Vedienst des hochkarätigen Casts. Trotzdem: Ein paar mehr Hintergrundinfos, mehr emotionale Verbindungen und die eine oder andere großartige Einzelszene (wie jene mit Gordon-Levitt und den sich drehenden Räumen) hätten der originellen Geschichte noch mehr Tragweite gegeben.

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Ach ja, und zum Abschluss noch ein Wort zu den Actionszenen: Davon gibt es weniger, als es zunächst den Anschein hat. Klar, gerade das Herzschlag-Finale treibt den Puls in höhere Regionen und beinhaltet manche Sequenzen, die man in der Form noch nicht auf der Kinoleinwand gesehen hat. Aber in „Inception“ geht es eben nicht um perfekt choreografierte Shoot Outs oder die nächste Verfolgungsjagd. Christopher Nolan ist als Geschichtenerzähler viel zu clever, um sich auf sterile Computertricks zu verlassen. Wie auch die Figuren, dienen die Spezialeffekte nur der Story – sie unterstützen sie, ohne sie zu schmälern. Es bedarf eines sehr guten Auges für das künstlerische Gesamtbild, um die Balance zwischen Inhalt und Form zu wahren. Und zum Glück ist unser Christopher auf beiden Klüsen äußerst scharfsichtig.

Es bleibt nur eines zu sagen: Seht euch „Inception“ an. Auch wenn der Streifen nicht ganz das neue Evangelium geworden ist, werdet ihr zumindest in diesem Jahr wohl keinen anderen Film sehen, der Action und Anspruch so kunstvoll miteinander verbindet. „Inception“ funktioniert als toll designter, intelligent erzählter Actionfilm ebenso wie als existenzialistische Identitätssuche zwischen Traum und Wachsein. Lasst euch nicht vom Trailer täuschen (der wieder mal viel zu viel zeigt), aber auch nicht von verwirrten Filmkritikern, die den Film schlichtweg nicht verstanden haben und nun behaupten, dass man ihn auch nicht verstehen könne. Blödsinn. „Inception“ fordert einiges, gibt aber auch viel zurück – viel mehr, als es leicht verdauliches Popcornkino je könnte. Ich werde ihn mir ganz sicher nochmal im Kino angucken. Und ich danke Christopher Nolan dafür, dass er es geschafft hat, einen Sommer-Blockbuster zu drehen, für den man sich nicht schämen muss.


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Obwohl es ja von Berufs wegen aber auch als Hobby meine Pflicht ist (ja, irgendeiner muss ja die Drecksarbeit machen…) mich über Filme zu informieren, habe ich bei Christopher “Dark Knight” Nolans neuestem Werk ganz gezielt mein Pflichtbewusstsein über Bord geworfen. Meine ersten Infos zu “Inception” hatte ich kurz nach dem Release von “The Dark Knight” aufgeschnappt. Ich war wie viele eher skeptisch und sogar ein wenig enttäuscht, dass Nolan die Frechheit besaß, nach dem grandiosen zweiten Teil seines Batman-Reboots, sich einem “ganz anderen Projekt” zu widmen. Während das Internet und Nerds in aller Welt also darüber diskutierten, welcher Schauspieler die große Lücke zu schließen vermag, die Heath Ledger hinterließ, arbeitete Nolan in Seelenruhe an seinem noch geheimen Sci-Fi-Projekt.

Ich hingegen habe mich mit dem Film nicht mehr besonders beschäftigt. “Jaja, irgend so ein Sci-Fi-Ding, wird schon nett werden, aber ich hätte lieber Dark Knight 2”. Als dann erste Bilder erschienen und über Story-Elemente von “Inception” berichtet wurde, hielt sich meine Begeisterung immer noch in Grenzen, meine Neuigier war aber geweckt. Immerhin hat der Mann mit Filmen wie “Memento”, “The Prestige” oder eben den “Batman”-Filmen bewiesen, dass er einer der Besten seines Faches ist.

Knapp zwei Jahre später ist der Film fertig. Trailer erscheinen und mir wird bewusst, dass Ding könnte richtig was werden. Mit Leo DiCaprio hat Nolan einen echten Headliner gefunden, der durchaus zu den Schauspielern gehört, die ich mir gerne ansehe. Ansonsten ging ich nahezu allen Trailern und Berichten aus dem Weg. Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass “Inception” so eine Sorte Film ist, über die man am besten so wenig wie möglich weiss.

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Ganz so extrem ist es dann nicht gewesen, weshalb Ihr auch ohne Probleme weiterlesen könnt. Denn im Gegensatz zu anderen Hollywood-Regisseuren, verlässt sich Nolan nicht auf “den einen” Showeffect. Er ist kein Shayamalan, der einen gesamten Film und eine Story nur als Vehikel für eine nette Schlusspointe nutzt. Und gerade “Inception”, noch mehr als seine anderen Filme, zieht seine Stärke nicht unbedingt aus der Überraschung (wenngleich auch dort einiges geboten wird, so ist es nicht), sondern aus der Story, den Charakteren und der Entwicklung eben dieser.
“Inception” ist seit langem wieder ein Film gewesen, der nahezu perfektes “Storytelling” bietet. Obwohl die Idee ja eher “unrealistisch” ist und in ähnlicher Form auch schon in anderen Filmen auftauchte (“Existenz”, “The Cell”, “Matrix” uvm.), versteht es Nolan den Zuschauer von der ersten bis zur letzten Sekunde in seine Welt zu ziehen. Normalerweise ist es bei mir so, dass ich bei Filmen gerade aus dem Sci-Fi-Genre ständig hinterfrage, was da gerade passiert. Ich will quasi in meinem Kopf den Film widerlegen und wenn mir das nicht gelingt, zumindest ins Lächerliche ziehen. Selbst bei meinem geliebten “Star Wars”, konnte ich mir dumme Sprüche nicht verkneifen, als die Ewoks plötzlich anfingen zu singen, oder sich eine Liebesgeschichte zwischen Chewie und Han andeutete…

Ich drifte ab. Was ich eigentlich sagen will ist, dass “Inception” auf bizarre Weise in sich völlig schlüssig ist, oder zumindest glaubwürdig vermittelt, dass da alles total Sinn macht. Man wird völlig in den Bann gezogen, man taucht, wie die Helden im Film, in eine Traumwelt ab, erlebt eine fantastische Reise, die aber zu keinem Zeitpunkt ihre Bodenständigkeit verliert.
Lasst Euch auch von den Trailern, so Ihr sie gesehen habt, nicht täuschen. Der Film ist kein Action-Kracher wie es “Matrix” seiner Zeit war. Und auch wenn es ordentlich abgeht und viele abgefahrene Sachen passieren, wirkt der Film trotzdem glaubwürdig und nie zu “Over the Top”. Die grandiosen Effekte kommen dann, wenn es die Story erfodert. Anders als bei einem Michael Bay-Film, hat man bei “Inception” nicht das Gefühl, dass ein Team von SpecialFX-Leuten und CGI-Animatoren ne coole Idee hatten und irgendein Depp jetzt ein Drehbuch um die Effekte zusammenschustern muss. Nolans Film wirkt wie aus einem Guss, keine nervigen Oneliner (ich glaube es gibt genau drei “lustige” Sprüche, aber die sitzen wenigstens), keine billigen und unglaubwürdigen Twists (hallo “Predators”), kein Jar Jar Binks Comic-Relief usw.

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Ein besonderes Lob gilt auch Leonardo DiCaprio, der schon in “Shutter Island” super war, aber für mich einer der wichtigsten Faktoren dafür ist, dass “Inception” so gut ist. Denn obwohl man als Zuschauer manchmal etwas verwirrt ist und im Dunkeln tappt, holt einen DiCaprio immer wieder ab. Er spielt seine Rolle glaubwürdig, entschlossen und doch bescheiden und eben genau richtig dosiert. Obwohl er nicht so sehr im Vordergrund steht, wie bei vielen seiner anderen Filme, wirkt er präsenter, er hält das Team, mit dem er sich in die tiefen des menschlichen Unterbewusstseins begibt, ebenso zusammen, wie den Zuschauer. Es ist keine Performance, für die er einen Oscar bekommen wird, aber es ist die perfekte Performance, die “Inception” gebraucht hat, damit man nicht überfordert das Handtuch wirft. Und ohne zu viel zu verraten, aber das letzte Drittel ist durchaus so komplex, dass Memento dagegegen wie “Big Mama’s House” wirkt.

Inception ist ein meisterhaftes Kinoerlebnis, handwerklich perfekt, fesselnd, spannend, smart und für mich der bislang beste Film des Jahres. Hier passt einfach alles und vor allem wird man als Zuschauer endlich wieder abgeholt und gefordert. So sehr ich zum Beispiel “Kick-Ass” gefeiert habe, so muss ich doch zugeben, dass das relativ seichte Unterhaltung war, die einem jetzt nicht soooo viel abverlangt. Bei “Inception” muss man jede Sekunde aufpassen und sich konzetrieren. Und wenn der Film im Kino endet, werdet Ihr rausgehen und darüber nachdenken was Ihr gesehen habt und Ihr werdet darüber diskutieren und dann werdet Ihr noch mal reingehen wollen…

Ich habe direkt nach dem Film im Web nach Infos gesucht, weil ich wissen wollte, ob Nolan evtl. bereits an einem Nachfolger für Inception arbeitet. Allerdings musste ich entnervt feststellen, dass er jetzt seine Zeit für “Batman 3” opfert. Mann ey!

“Inception” startet am 29. Juli in unseren Kinos, den Trailer findet ihr wie immer hier! Freut ihr euch auf “Inception” oder bleibt ihr lieber zuhause? Eure Meinung in die Kommentare, ne?