Ein Bushido Film also. Quasi ein Biopic. Normalerweise wird einem so ein Film gewidmet, weil man wichtiges geleistet hat, einen besonderen Lebensweg hatte oder generell als kulturelle Ikone gilt. Eine verfilmte Biografie ist nicht selten auch ein Denkmal, eine (hoffentlich) ehrliche Beschreibung einer Persönlichkeit.und ihres Lebens.
Spätestens wenn der Film mit seinem großen Finale endet, einem Bushido Konzert vor dem Brandenburger Tor in Berlin, ist klar, dass es sich bei “Zeiten ändern dich” um nichts anderes als einen 90 minütigen Werbefilm für den Hauptdarsteller handelt. Genauso wenig wie die seichte Kollaboration mit Karel Gott die Diskographie Bushidos repräsentiert, genauso wenig gibt “Zeiten ändern dich” das Leben von Anis Ferchichi, alias Bushido, wieder. Oder anders: Der Film ist eine weichgespülte, oberflächliche und kommerzialisierte Version der Realität.

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Das man Bushio dabei durchaus attestieren kann, die beste schauspielerische Leistung des immerhin namenhaften Ensembles abzuliefern, ist dann wohl auch alleine der Tatsache geschuldet, dass er sich selbst “spielt” und zwecks Authentizität auch gar nicht anders rüberkommen sollte. So spielt sich also Bushido selbst, in einem Film über ihn, basierend auf einem Buch, das er (gemeinsam mit Lars Amend) über sich schrieb.
Das Bushido von einem Underground-Rapper zu einem popkulturellen Medienphänomen geworden ist, hat dann wohl auch Bernd Eichinger dazu motiviert, die Buch-Vorlage für die große Leinwand entsprechend neu zu verfassen. Ob er auch wirklich viel umgeschrieben hat, sei mal dahingestellt. Man mag es aber bezweifeln, denn immerhin hat Eichinger die Drehbücher zu Filmen wie “Der Untergang”, “Das Parfüm” oder zuletzt “Der Baader-Meinhof Komplex” geschrieben. Von vergleichbarer Qualität ist “Zeiten ändern dich” leider meilenweit entfernt. Ich sage bewusst leider, weil ich als Fan der deutschen Hiphop Kultur und meiner großen Affinität zur Rapmusik nicht so eine schwache Vorstellung erwartet und gewünscht hatte. Geht man mal davon aus, dass trotz namenhafter deutscher Schauspieler, wie Hannelore Elsner oder Moritz Bleibtreu, dennoch hauptsächlich Bushido-Gutfinder oder zumindest Interessierte sich diesen Film überhaupt ansehen werden, dann ist es schon erstaunlich, wie wenig (Neues) man über Bushido erfährt. Im Gegenteil sogar. Hätte ich seine Karriere nicht von Tag 1 verfolgt und würde nur den Film kennen, würde ich wohl denken, da geht es um einen Karel Gott Fan, der eigentlich nur sauer auf seinen Vater ist und deshalb bei seinen Songs gelegentlich etwas über die Stränge schlägt. Eine Verhamlosung, ja sogar eine Glorifizierung der Figur Bushido ist dabei aber ungefähr genauso falsch, wie eine Kriminalisierung und Verteufelung.

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Unterm Strich ist die Geschichte von Bushido, zumindest die, die in dem Film erzählt wird, nichts wirklich besonderes. Sein Schicksal kein Einzelschicksal. Doch das Milieu, die Welt, die sozialen Verhältnisse, spielen in “Zeiten ändern dich” ohnehin eine untergeordnete Rolle. Es treibt einem fast schon die Tränen in die Augen, mit welchen Klischees und eindimensionalen Vorstellungen man da als Zuschauer bombadiert wird. Sei es die schrecklich “overactende” Hannerlore Elsner, die als Bushidos Mutter genauso glaubwürdig rüber kommt wie Moritz Bleibtreu als Bushidos netter Mentor und Supporter Arafat. Am schlimmsten ist aber der Auftritt von Uwe Ochsenknecht und Katja Flint, die in dem Film die Eltern von Bushidos Freundin Selina spielen. Hier der rüpelhafte Bushido, dessen Vater trinkt und die Mutter schlägt. Da die unschuldige Selina, die aus einer reichen Familie (ganz subtil dargestellt mit einem Butler, der das Essen serviert) stammt. Das ganze ist so überzeichnet, dass einem wirklich schlecht wird oder man alternativ fremdschämig die Hände zum Schutz vor die Augen hält.
Seine besten Szenen hat der Film tatsächlich dann, wenn man etwas über Bushidos Einstieg in die Musikindustrie erfährt. Leider geht das im Film alles ziemlich schnell und wird auch nicht wirklich tiefgreifend angepackt. Rap-Fans können sich zumindest auf einige kurze Gastauftritte von Fler und Kay One freuen, die der musikalischen Biografie ein wenig Realismus verleihen. Leider wirken auch hier einige Szenen wieder geradezu lächerlich und ziehen damit die Ernsthaftigkeit des gesamten Films runter. Als Arafat und einer seiner Leibwächter mit einem riesengroßen Piratensäbel das Plattenlabel von Bushido (im Film heißt es “Hardcore Berlin”, was natürlich eine Anspielung auf “Aggro Berlin” ist) stürmt, um den Rapper von seinen Verträgen “loszueisen”, wirkt das fast wie Slapstick. Von solchen Szenen gibt es leider zu viele.

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Dabei bietet der Stoff eigentlich mehr als man auf den ersten Blick ahnt. Als Sohn einer Lehrerin, die jahrelang an einer Hauptschule in Frankfurt, in einem Stadtteil, der als sozialer Brennpunkt gilt, unterrichtete, sind mir Geschichten, wie sie in Ansätzen in “Zeiten ändern dich” erzählt werden, aus nächster Nähe vertraut: Sozial vernachlässigte Kinder, Schüler mit Immigrationshintergrund ohne gescheite Integration, der Clash der Kulturen und der Klassen, die zunnehmenden Ghettoisierung in Deutschland, überforderte und unfähige Eltern und Lehrer, Perspektivlosigkeit und so weiter. Alle diese Themen werden bei “Zeiten ändern dich” wenn überhaupt nur stereotyp und oberflächlich behandelt. Für Leute wie Karel Gott, Bernd Eichinger, Regisseur Uli Edel und den einen oder anderen Politiker, mag diese Form der Auseinandersetzung schon ein enormer Schritt sein, der Realität wird der Film leider nie gerecht.
“Zeiten ändern dich” wirft keine Fragen auf, hält den Finger in keine Wunde, zeigt keine Auswege und ist vor allem völlig unkritisch und langweilig. Jetzt kann man sagen, dass es sich ja immer noch um einen Spielfilm handelt und nicht um eine Dokumentation oder Milieustudie. Einverstanden. Doch dafür fehlt es dem Film völlig an Dramaturgie, Spannungsbogen oder überhaupt einer glaubwürdigen und interssanten Geschichte. Es ist umso ärgerlicher, da es schon so viele Filme auf diesem Gebiet gibt, die viel besser sind. Sei es “8 Mile”, “Hustle & Flow” oder jüngst “Notorious”. Da gibt es Filme wie “Boyz ’N the hood” oder “Menace 2 Society”. Es seien erwähnt Laurent Cantets “Entre Les Murs” (“Die Klasse”) oder die HBO Serie “The Wire”. Von “Walk the Line” fang ich gar nicht erst an.

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Von diesen Ambitionen muss man “Zeiten ändern Dich” aber freisprechen. Vielleicht war auch meine Erwartungshaltung viel zu hoch. Ich hätte es vielleicht wissen müssen, doch leider habe ich die Bushido Biografie nicht gelesen. Unterm Strich bleibt für mich eine ziemlich oberflächlicher und enttäuschender Werbefilm für die Marke Bushido.
Man muss wohl damit zufrieden sein, dass überhaupt Einblicke in die für viele sicherlich fragwürdige und fremde Welt Bushidos gewährt werden und zumindest versucht wurde, ein paar sozialkritische Hinweise zu liefern. Wirklich schlauer wird man aber eher nicht.

Das zu Beginn angesprochene Finale beginnt dann mit einem Bushido Live-Konzert. Zwei Bushido Singles werden komplett gespielt, bevor die Credits kommen. Am Ende haben sich die Eltern von Bushido wieder lieb, er hat seinem Vater vergeben. Seine Freundin, die ihn verlassen hat, nach dem er ihr ins Gesicht schlug, steht mit ihrem neuen Freund ebenso im Publikum, wie sein alter Freund und Weggefährte Fler. Ende gut, alles gut. Wie im echten Leben halt.

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“Ich war gefickt. Doch dann erinnerte ich mich an den Rat des alten Arabers!”

Das ist ein Originalzitat aus dem Film. Wirklich. Und irgendwie beinhalten diese zwei kleinen Sätze jede Kritik, die man zu „Zeiten ändern dich“ äußern kann. Ist das alles wirklich ernst gemeint? Wollen Bernd Eichinger und Bushido die knallhart realistische Geschichte eines missverstandenen Außenseiters erzählen oder doch nur ein weichgespültes Feelgood-Märchen im RTL-Eventmovie-Format? Haben sich die Produzenten an Bushido gewandt, weil er das Sprachrohr unterpriviligierter Jugendlicher in diesem Land ist oder ist Sido mittlerweile einfach nur zu smart für so einen Quatsch? Ich bin mir immer noch nicht ganz sicher.

Okay, ich gebe zu – ich bin jetzt nicht der allergrößte HipHop-Fan unter der Sonne. Es gibt da 2 bis 19 Musikrichtungen, die ich lieber mag. Das sollte allerdings keinen Einfluss auf die Rezeption eines Films haben. Ich meine, nur ein Bruchteil der Leute, die „Walk the Line“ großartig fanden (und das sehr zu recht), werden mehr als das „Best of“ von Johnny Cash im Regal stehen haben. Und Jamie Foxx wollte man nach „Ray“ den Oscar höchstpersönlich vorbei bringen, auch wenn man mit dem Gesamtwerk von Ray Charles nicht unbedingt in Gänze vertraut war. Der Vorwurf „Du raffst es halt nicht LOL!“ greift also nicht. Und außerdem ist „Zeiten ändern dich“ eben KEIN Film über HipHop. Sondern einzig und allein über Anis Ferchichi, genannt Bushido, selbsternannter „Kanacke“, gepeinigter Krieger der Worte, auf ewig zerrissen zwischen Mainstream-Geplänkel bei Johannes B. Kerner und street credibility im Bang Bus. Ach, wäre es mal ein Film über HipHop geworden.

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Der kleine Bushido rappt in der Schule Goethes „Erlkönig“ (woraufhin eine etwa 11-jährige lobt: „Das war echt cool, ey!“ – Fremdschäm-Szene Nummer 1), macht ganz viel Geld mit dem Verticken von Gras (wobei ihn seine Mutter unterstützt, denn „Gras, das wird auch so von Ärzten verschrieben so!“ – Fremdschäm-Szene Nummer 2), vögelt mit seiner spießigen Freundin auf dem Flokati ihrer wohlhabenden Eltern, die reich sind und sich erdreisten, höflich nachzufragen, womit der junge Herr Ferchichi denn so seinen Lebensunterhalt bestreitet, was sie – na klar – zu unsympathischen, latent rassistischen Bonzenschweinen macht (Fremdschäm-Szene Nummer 3), und so weiter, und so fort. Am Ende hat sich Bushido mit seinem todkranken Vater versöhnt (denn: „Du hast Hass im Herzen. Hass ist nicht gut.“ – Fremdschäm-Szene Nummer … ach, egal), gibt ein großes Konzert am Brandenburger Tor, Karel Gott singt „Biene Maja“ und alles ist gut. Selbst sein Ex-Feind Fler nickt anerkennend, Bushido lächelt, Abspann. Und man ist sich nicht ganz sicher, ob man nicht gerade die deutsche Parodie eines amerikanischen Musik-und-Ghettofilms gesehen hat.

Und das liegt noch nicht mal unbedingt an Bushido selbst. Immerhin muss man ihm zugute halten, dass er als Schauspieler nicht völlig versagt. Na gut, das ist jetzt auch keine Großleistung, denn er spielt ja eigentlich noch nicht mal, er ist einfach Bushido und lässt sich dabei filmen. Dadurch ist er mit großem Abstand die authentischste Figur im gesamten Film. DIESES Konzept ging also durchaus auf. Was hingegen überhaupt nicht klappt, ist der viel zu nahe, viel zu unkritische Blick auf die eigentliche PERSON Bushido. Ob es einem nun gefällt oder nicht, aber der Bordstein-Rapper bewegt nun mal tatsächlich die Massen und hat sich mittlerweile zu einem regelrechten Phänomen entwickelt. Doch anstatt diesem auf den Grund zu gehen, entschieden sich Regisseur Uli Edel und Produzent Bernd Eichinger für eine anbiedernde, naiv-plumpe Schleimerei, die keinerlei Fragen stellt. Und dabei gäbe es so viele.

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Zum Beispiel, ob es nicht ganz schön lächerlich ist, sich die ganze Zeit zum Erniedrigten und Gequälten zu stilisieren, der im Leben nie eine echte Chance hatte, wäh wäh wäh … wenn man, tja, hm, auf dem Schulhof Drogen vertickt statt im Unterricht zu sitzen, nachts Züge taggt, „Opfahn“ auf die Fresse haut und im Tourbus mit seinen Atzen Minderjährige durchzieht. Man könnte fragen, ob es wirklich reicht, der Nachwelt IRGENDWAS zu hinterlassen, damit „jeder weiß, dass ich da war“ (wie Bushido in einer Szene seine Motivation erklärt – bevor er seiner Freundin eine klebt, natürlich) oder ob der eigene Anspruch nicht vielleicht ein winzig kleines bisschen höher sein sollte. Ob der Erfolg als Künstler wirklich verdient ist, wenn er einfach ein paar halbseidene Kumpels/Geschäftspartner/Schläger vorbeischickt, weil ihm plötzlich ein Plattenvertrag nicht mehr passt und der feine Herr nach Höherem strebt. Die „machen das alles klar“ und wir sollen Bushido im Stillen für seinen Geschäftssinn und seine Kämpfermentalität bewundern.

Meine These ist da etwas simpler: Wer sich wie ein Arschloch verhält, wird auch wie eines behandelt.

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Und selbst handwerklich ist „Zeiten ändern dich“ von einem international konkurrenzfähigen Biopic so weit entfernt wie Hamburg-Blankenese von Berlin-Kreuzberg (das war das einzig erfreuliche im Film, meine alte Hood zu sehen). Der „Hölzerne Schnarchsack am Band“ geht an Katja Flint und Uwe Ochsenknecht, denen mal jemand hätte sagen sollen, dass sie ECHTE MENSCHEN darstellen sollten. Überhaupt zeigt auch dieser Film das alte, typisch deutsche „Ich wollte ja eigentlich Theater-Regisseur werden“-Phänomen: Weil Jugendliche „bestimmt so reden“, muss man die ganze Zeit Sätze hören wie „Boah, das is ja derbst krass, Alter!“. Erwachsene hingegen drücken sich am liebsten in perfektem Schrift-Deutsch aus: „Als ich deine Mutter verließ, brach es mir das Herz“. Aber das alles ist nichts gegen den völlig unglaubwürdigen, absolut ungelenk vorgetragenen Offtext von Bushido himself, der im Nightliner über sein Leben sinniert und dann Perlen rausfeuert wie „Doch dann geschah etwas ganz und gar Unvorhergesehenes“ oder eben (Achtung, noch mal dabei sein hier!) „Ich war gefickt. Doch dann erinnerte ich mich an den Rat des alten Arabers!“ Das ist komödiantisches Gold und fast schon wieder die Kinokarte wert.

Nee, lass ma, Bushido. Mach meinetwegen noch 20 Jahre lang Platten, scheffel Millionen als Immobilienmakler oder gründe noch ’ne Mädchenband. Aber bitte nerv uns doch in Zukunft nicht mit so einem teuer produzierten Trash, der sich als „deutsches Kino-Ereignis“ verkleidet. Du willst „Respekt und Ehre“? SO wird das nix.

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Gott, hoffentlich macht niemand mal einen Film über Slipknot. Und wenn doch, dann bitte nicht Uli Edel und Bernd Eichinger.

Ach… nen Trailer gibt’s übrigens auch!