Uwe Boll, Staatsfeind Nr. 1 der Internationalen Gamer-Kommune. Ein unprofessioneller, unsympathischer und im höchsten Maße untalentierter Regisseur, der nahezu jedes Projekt dank seines mangelnden Gespürs für Dramaturgie und Ästhetik in den Sand gesetzt hat. Der Prolet unter den Filmschaffenden, einer der alles versucht um die nötige Publicity auf sich zu ziehen. Von kindischen Nazisprüchen, über Testosteron geladene Boxkämpfe gegen seine schärfsten Kritiker, bis hin zu derben Lästerattacken, die seine Crewmitglieder bis auf die Knochen blamieren. Und nicht zuletzt ist Uwe Boll der Begründer der “Videospielverstümmelungen”. Während seiner Amtszeit als "Schlechtester Regisseur aller Zeiten“ riss er ein ganzes Genre quasi im Alleingang beinahe in den Abgrund. Zumindest sagen das oder ähnliche Dinge die Boll-Kritiker.

Aber genug mit dem Boll-Bashing, denn jeder der den Großmeister der Filmkatastrophen schon mal live in Aktion gesehen hat weiß, dass dieser Mann einen Plan hat. Der Plan, die Filmindustrie so zu melken, dass sie möglichst viel Kapital abwirft. Hinter der vermeintlich prolligen Fassade steckt ein "Künstler“, der von der ersten Minute an geschnallt hat, wie der Hase läuft. Den DVD-Markt bald als Eierlegende Wollmilchsau entdeckt, cashte Boll eine respektable Summe durch sein zwiespältiges Filmportfolio ab. Die Fortsetzungspolitik hat er mit seinen Sequels zu “Alone in the Dark” und “BloodRayne” auf die Spitze getrieben. Doch immer mit Erfolg, denn so zweifelhaft das Filmvergnügen auch sein mochte, so kommerziell treffsicher hangelte er sich von Verkaufsschlager zu Verkaufsschlager.
Durch Zufall bin ich auf sein neuestes Filmprojekt “Siegburg” (im Original "Stoic“) gestoßen. Wie bei seinen anderen Werken hab ich wirklich alles versucht, mich möglichst vorurteilsfrei an den Film zu wagen. Doch noch immer schwirrten die alten Dämonen durch meinen Kopf. Denn immerhin handelt es sich um den Regisseur der Spieleklassiker wie “Far Cry” und “Alone in the Dark” ein unrühmliches,..nein viel mehr ein nahezu "blasphemisches“ Denkmal gebaut hat. Und jetzt soll genau dieser Mann, der das Feingefühl eines Vorschlaghammers besitzt, die schrecklich brutalen Vorfälle des Siegburg Dramas auf Zelluloid bzw. auf DVD gebannt haben? Ist ihm denn etwa nichts mehr heilig?! Besitzt er denn gar keinen Respekt?! Doch bevor man sich wieder im anstrengenden „Boll-Vorurteils-Trott“ verirrt, überrascht der alte Haudegen mit einem erschütternden Kammerspiel, welches die Abgründe der menschlichen Seele gekonnt skizziert, ohne dabei in alte und voyeuristische Muster zu fallen.

Doch eins nach dem anderen

Im Jahre 2006 erlangte die unscheinbare deutsche Kleinstadt Siegburg traurige Berühmtheit. Grund dafür waren die dramatischen Vorfälle in der örtlichen Justizanstalt. Die Drei jugendlichen Straftäter Harry, Jack und Peter folterten ihren Mitinsassen Mitch so weit, bis sie ihn zum grausamen Freitod zwangen. Eigentlich fing alles so harmlos an. Ein belangloses Pokerspiel ist der Startschuss der widerwärtigen Gewaltspirale. Mitch scheint das Glück auf seiner Seite zu haben. Problemlos zockt er seinen Zellenkameraden alle Zigaretten ab. Beflügelt von seinem Erfolg macht er den Vorschlag, dass der Verlierer der nächsten Runde den Inhalt einer ganzen Zahnpasta Tube essen soll. Doch wie es das Schicksal so will, verliert Mitch das Pokerspiel und so muss er die Demütigung über sich ergehen lassen. Anfänglich gehemmt, zwingen ihn seine Mitinsassen die Zahnpasta runter zu würgen. Diese scheinen Gefallen an der krankhaften Folterung zu finden, mit menschenverachtenden Methoden bringen sie Mitch so weit, dass er nur mehr noch als ein Häufchen Elend am Zellenboden dahinvegetiert. Um sich aus jeglicher Verantwortung zu stehlen, beschließen die drei Jungs Mitch zum Selbstmord zu zwingen.

Siegburg

Beschreibung:

Ja, “Siegburg” ist kein angenehmer Film. Das deprimierende Setting und die hoffnungslose Ausgangssituation werden lediglich von der trostlosen Grundstimmung übertroffen. Die Geschichte wird auf zwei Erzählebenen transportiert. Auf der einen Seite gibt es die Rekonstruktion der Ereignisse, die sich in der Zelle zugetragen haben. Das Bild wirkt kühl, die Stimmung ist angespannt und die Aggressionen sind zum Greifen nah. Die Kamera funktioniert als objektives Medium, die den Ablauf lediglich dokumentiert. Die jungen Darsteller (darunter auch Edward Furlong, bekannt aus “American History X” und natürlich als John Connor aus “Terminator 2”) agieren mit improvisierten Dialogen. Ein riskantes Unterfangen, doch Boll`s Wagnis, seine Schauspieler schonungslos von der Leine zu lassen, ist durchaus geglückt. Denn gerade weil es kein eng gestrafftes Korsett in Form eines klar strukturierten Drehbuchs gibt, wirkt die Atmosphäre unglaublich authentisch. Diese wird mit vereinzelten Interviewpassagen, die nach der Folterung aufgenommen wurden, noch mal klar unterstrichen. Wir sehen unsere drei Täter, wie sie ihre Schuld abstreiten, wie sie nach Erklärungen suchen und wie sie sich gegenseitig ankreiden. Es wird deutlich, dass es sich bei “Siegburg” um keinen klassischen Film handelt. Viel mehr versucht sich Boll an einer authentischen Rekonstruktion der grausamen Vorfälle. Das hat zur Folge, dass das Endprodukt ein überaus unangenehmes Schauwerk ist, welches zu keiner Sekunde unterhält, aber dennoch jede Sekunde fesselt. An vereinzelten Stellen droht der Film sich in der unendlichen Gewaltspirale zu verlieren. Der geschockte Zuschauer wartet auf die nächste Stufe der Folterung, ohne dabei mit dem leidenden Mitch mitzuempfinden, doch dank der gut platzierten Interviewpassagen, entsteht eine persönliche Note, die die Ängste und Hoffnungen der Insassen gekonnt reflektiert. Zwar versäumt es “Siegburg” sich klar zu positionieren, denn im Endeffekt weiß der Film nicht so recht ob er nun eine klare Milieustudie, oder ein berührendes Drama sein will. Für das Eine geht er zu wenig in die Substanz und für das Andere mangelt es ihm an den nötigen Emotionen. Doch dank der unbekannten aber durchaus überzeugenden Besetzung und nicht zuletzt wegen der distanzierten Regie überzeugt “Siegburg” als gelungene Portraitierung vier gelangweilter und desillusionierter Straftäter.

Diese nicht auszuhaltende Spannung zwischen den 4 Insassen und die bestialischen Folterungen gehen tief unter die Haut und direkt an die Nieren. Ehrlich gesagt hab ich die Hoffnung seit “Far Cry” aufgegeben, dass Uwe Boll im Stande ist einen guten Film zu machen. Doch mit der zunehmenden Spieldauer, wurde mir eine Sache klar. Der gute Boll ist vielleicht doch besser als sein katastrophaler Ruf, er hat sich schlicht und einfach immer im falschen Genre aufgehalten. Als kurzweiliger Krawallmacher hat er versagt, als anstrengender Art-House-Künstler konnte er souverän überzeugen

Es bleibt abzuwarten was uns Herr Boll in der nahen Zukunft beschert. Denn neben potentiellen Filmgurken wie die Max Schmeling Biografie (Mit Henry Maske in der Hauptrolle), könnte vor allen das durchaus interessante Darfur-Projekt, an dem positiven “Siegburg-Trend” ansetzen. Und vielleicht gelingt ihm mit “Rampage” auch mal die, bei “Postal” kläglich gescheiterte, Symbiose aus kontroverser Action und bitterböser Sozialkritik.

Rampage-Trailer

Also, Daumen hoch für Dr. Uwe Boll, auch wenn sein neuester Film nicht in die Annalen der Filmgeschichte eingehen wird hat er nun endlich bewiesen, dass doch so etwas wie künstlerische Ambitionen in ihm schlummern.