Kopfkino: Paranormal Activity - Nichts für schwache Nerven
Zur Zeit gibt es mal wieder einigermaßen Hype um einen Film, der in den letzten Wochen die Kinokassen in den USA gerockt hat. Ein Film, der gerade mal läppische 11.000 Dollar gekostet und mittlerweile schon über 90 Millionen Dollar eingespielt hat. Ein Film, für den Paramount bereits einen Nachfolger plant, während er noch aktuell im Kino läuft. Ein Film, der bei uns am 19. November in die Kinos kommt.
Paranormal Activity
Der Film von dem hier die rede ist, nennt sich “Paranormal Activity” und der Name ist Programm. Im Stile von “Blair Witch Project”, “Cloverfield” oder "[Rec], wird die Geschichte aus erste Hand der Protagonisten erzählt, die alle Geschehnisse mit einer Kamera aufgezeichnet haben. Doch Halt! Wer glaubt, hier wartet wieder ein 0815 Horrorfilm mit nerviger Shaky-Cam (auch “Shockumentary” genannt), der irrt. Bei Paranormal Activity macht die Erzählperspektiv aus Sicht der Kamera richtig Sinn:
Katie und Micah leben seit kurzem in einem kleinen gemütlichen Häuschen in Kalifornien. Seit drei Jahren sind die beiden ein Paar und eigentlich auch sehr glücklich. Wären da nicht diese komischen Dinge, die Katie seit sie acht Jahre alt ist, heimsuchen. In unregelmäßigen Abständen hört Katie in der Nacht Stimmen, sieht Schatten und andere obskure Aktivitäten. Egal wo sie hinzieht, egal was sie macht, es scheint als könnte sie diese Geschehnisse nicht abschütteln. Mittlerweile hat sie sich fast schon daran gewöhnt, im Gegensatz zu Micah, der dem Spuk auf den Grund gehen will. Mit einem eigens installierten Überwachungssystem, filmt er sich und Katie Nacht für Nacht um anschließend festzustellen, was sich da eigentlich genau ereignet, während sie schlafen. Doch je mehr er sich damit beschäftigt, desto stärker scheinen die paranormalen Aktivitäten zu werden…
Hier war mal ein Bild das leider nicht gebackupt wurde :(Do believe the Hype! Paranormal Activity ist zwar keine Genre Neuerfindung, aber dafür ein Gruselfilm mit Seltenheitswert. Hier wird nicht einfach nur plump jemand in Nahaufnahme gefoltert oder leichtbekleidete Teenager von maskierten Psychopathen gejagt, hier wird mit den Urängsten des Menschen gespielt. Was passiert um uns herum, wenn wir schlafen? Wer hat nicht schon mal Nachts Geräusche gehört oder Schatten gesehen? PA treibt es auf die Spitze. Der Film fängt langsam an, entführt einen in die Welt von Katie und Micah und quält den Zuschauer mit jeder weiteren Nacht, die er mit dem Paar verbringen muss. Gegen Ende, sitzt man mit offenem Mund im Kinosessel, krallt sich in die Armlehne und ist einfach nur sprachlos. Der Film kommt ohne teure Effekte aus, ohne die 0815 Schrecksekunden und Jumpscares und findet im Prinzip nur in zwei Räumen statt. Trotzdem einer der fesselndsten und spannendsten Filme, die ich seit langem gesehen habe. Beide Daumen hoch!
Hier war mal ein Bild das leider nicht gebackupt wurde :(Also, normalerweise hat mein werter Kollege Eddy ja den Filmgeschmack eines hyper-nervösen, verwirrten Kindes, aber in diesem Fall muss ich ihm Recht geben. „Paranormal Activity“ ist ohne Zweifel DIE große Überraschung des Kinojahres und verdient jeden erdenklichen Hype, der schon die amerikanischen Gruselfans im Sturm erobert hat. Ach was soll’s, lassen wir doch die ganze Zurückhaltung weg – „Titten auf’n Tisch!“, wie Stromberg gesagt hätte: „Paranormal Activity“ ist der mit Abstand beste Horrorfilm der letzten Jahre, unendlich viel krasser und verstörender als jeder noch so absurd-blutige „Saw“ oder „Hostel“. So.
Und das, obwohl keiner der üblichen Hollywood-Verdächtigen vorkommt? Kein Masken-Killer, keine schnaufenden Monstermutanten? Noch nicht mal das obligatorische Mädchen mit den langen schwarzen Haaren? Nein. Gähn hoch zehn. Vergesst diesen Bullshit. „Paranormal Activity“ zeigt uns das wahre, das tiefste Grauen: Schatten in der Nacht. Geräusche in der Dunkelheit. Wer jemals als Kind aufrecht in seinem Bett saß, mit rasendem Herzen und angehaltenem Atem, und ins Dunkel starrte, weil von irgendwo dieses KLOPFEN kam… der wird mit diesem kleinen, fiesen, unfassbar unheimlichen Schocker auf den filmischen Gruseltrip seines Lebens gehen. Was kann es Schlimmeres geben, als in seinen eigenen vier Wänden, in seiner eigenen Wohnung, in seinem eigenen gottverdammten SCHLAFZIMMER, nicht mehr sicher zu sein? „Paranormal Activity“ braucht nicht viel, um nachhaltig zu erschrecken: Nur ein junges, angenehm normales Paar, eine Handkamera…und die Nacht. Wer sich manchmal fragt „Was passiert eigentlich, während ich schlafe?“, der bekommt hier die schreckliche Antwort. So genau wollte man’s gar nicht wissen, schönen Dank auch.
Ihr merkt schon: Ich als alter Horror-Hardcore-Fan bin absolut geflasht von dem Streifen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal während eines Films so angespannt und verängstigt war. Wenn ein Film es schafft, dass sich mein Puls erhöht, sobald eine einfache Texteinblendung verkündet, dass nun wieder eine „Nacht“-Sequenz kommt – dann macht dieser Film etwas sehr, sehr richtig. Diese Geräusche. Diese Schreie. Diese Szene, in der…uaah. Ich kriege gerade, während ich das hier tippe, original Gänsehaut. DAS ist wahrer Horror, Freunde.
Ach ja, eines noch: Bitte schaut Euch NICHT den Trailer an! Denn wie immer, verrät auch diesmal dieser blöde Trailer VIEL. ZU. VIEL. Auch wenn es in „Paranormal Activity“ nicht um billige Schockeffekte geht und man viel mehr Angst hat vor dem, was man nicht sieht – einiges passiert halt eben doch, und das ist alles viel zu schlimm, um es sich jetzt schon zu verderben. Ich weiß nicht, welche Vollidioten da immer meinen, dass man aber auch JEDE Schauerszene im Trailer sehen muss, weil sonst die dummen kleinen Kinobesucher zuhause bleiben oder so… aber tut es Euch nicht an. Seht so wenig wie möglich vom Film, bevor Ihr die Eintrittskarte löst. Vertraut uns einfach, den Kompetenz-Giganten von KopfKino. Wer sich bei DEM Film nicht gruselt, der hat eine sehr seltsame Vorstellung von Angst. Oder ist vermutlich selbst bereits tot.
Mein Fazit: Ohne Frage und Diskussion schon jetzt ein Klassiker, fast unerträglich gruselig und absolutes Pflichtprogramm für Mutige. Freut mich unendlich, dass ein fast unbeachteter Underdog von Film nun doch endlich zu verdientem Ruhm kommt und seelenlose, kalkulierte Kommerz-Kacke wie „Saw VI“ an den amerikanischen Kinokassen pulverisiert hat. Horror in seiner ursprünglichsten Form. Ich bin tief beeindruckt. Und wenn ich heute Nacht so komische Geräusche im Schlafzimmer hören sollte… nun, ich schreibe Euch ’ne Karte aus Fuckingweitwegvonhier.
Hier war mal ein Bild das leider nicht gebackupt wurde :(Als Kind musste nachts meine Zimmertür immer einen Spalt offen bleiben und im Flur das Licht brennen. Jetzt weiß ich wieder warum.
Paranormal Activity ist der gruseligste Shit, den ich in den letzten Jahren gesehen habe. Und das, obwohl das Shaky-Cam-Genre seit Blair Witch Projekt diverse Nachahmer gefunden hat und daher der Effect des fiktiv authentischen nicht mehr die Wirkung hat, wie zu Zeiten seiner Entstehung.
Das liegt auch am Thema des Films. Denn bei den meisten Vertretern des Genres kann man sich als Zuschauer trotz der Amateuraufnahmen von der Situation distanzieren. Bei Blair Witch findet die Handlung in einem riesigen Wald irgendwo in Amerika statt. Da geh ich dann einfach nicht hin und somit kann mir die olle Hexe gar nichts! In Open Water strampeln die Darsteller inmitten des Ozeans. Viel weiter weg geht ja gar nicht!
Bei Paranormal Activity gibt es kein Entrinnen. Denn jeder kennt die Situation, dass man nachts im Bett liegt und um einen herum arbeitet das Material aus dem unsere Wohnung ist. Der Boden knarzt, die Heizung hustet und plötzlich sieht man hinter diesen Geräuschen, die man tagsüber nicht wahrnimmt, die Heimsuchung des Übernatürlichen.
Und ausgerechnet dann soll man schlafen! Alle Sinne runterfahren und sich schutzlos ausliefern. Genau hier setzt der Film an. Im Schlaf sind wir alle gleich. Verwundbar. Wir wissen nicht, was eigentlich um uns herum passiert. Aber wir müssen jede Nacht schlafen und deshalb kann man sich nicht von der Situation des Films distanzieren.
Eine zweite Möglichkeit, sich dem Schrecken eines Horrorfilms zu entziehen, ist die Entscheidungen der Charaktere infrage zu stellen. “Wie doof ist der denn?!” ist ein Wort gewordener Schutzraum des angespannten Zuschauers. Solange man glaubt, man selbst könnte sich in dieser Lage durch klügere Entscheidungen retten, ist ja alles halb so schlimm.
Auch das funktioniert bei Paranormal Activity nicht. “Wieso machen die denn xy nicht?” hat keinen Sinn, weil Katie und Micah, die Figuren des Films, ihre Möglichkeiten ausschöpfen und trotzdem in die Fänge des Bösen geraten.
Deshalb braucht es keine großen Effekte, damit der Film seine Wirkung entfaltet. Es reichen kleine Bewegungen in einem statischen Bildausschnitt, um uns vor Angst quieken zu lassen. Immer dann, wenn die Kamera nichts tut, ausser Katie und Micah nachts beim Schlafen zu filmen, ist die Situation am unerträglichsten.
Und das sind genau die Momente, an die Ihr Euch erinnern werdet, wenn Ihr nach dem Film zum ersten Mal wieder in Eurem eigenen Bett liegt und der Boden knarzt und die Heizung hustet. Dann lasst Ihr Eure Tür einen Spalt offen und das Licht im Flur an und Ihr wisst wieder warum.