Am Sonntag sind wir von der gamescom in Köln zurück gekommen – mit Haufenweise gedrehten Bändern im Gepäck, nahezu dehydriert und dem einen oder anderen Hörschaden. Mit anderen Worten: Für euch sind wir wieder mal bis ans Letzte gegangen. Doch statt komatös in unsere Betten zu fallen und drei Tage durchzuschlafen, hat sich das gesamte Team schon wenige Stunden später wieder getroffen, voller Energie, Aufregung und kindischer Vorfreude. Denn hier bei uns in Hamburg läuft gerade das Fantasy Filmfest, das für uns Horror-, Science-Fiction- und Sowieso-Nerds eines der Highlights des Jahres darstellt. Die schon längst gekauften Kinokarten in der Tasche, haben wir uns direkt in den nächsten Wahnsinn gestürzt. Und „Wahnsinn“ beschreibt auch den Film sehr gut, auf den wir uns schon seit Monaten gefreut haben und nun endlich sehen durften – „District 9“ eines gewissen Neill Blomkamp.

Hier war mal ein Bild das leider nicht gebackupt wurde :(

Für alle Nichteingeweihten ein kurzer Abriss: Der gebürtige Südafrikaner Neill Blomkamp sollte ursprünglich ein Videospiel verfilmen, dieses eine da, vielleicht habt ihr schon mal davon gehört, „HALO“!!!!einself Doch weil die Welt ungerecht und voller dummer, dummer Menschen ist, wurde das Mammut-Projekt irgendwann wieder auf Eis gelegt, bis heute. Peter Jackson, der als Produzent gehandelt wurde, tat daraufhin etwas sehr Großartiges: Er ging zu Neill Blomkamp, drückte ihm mal eben 30 Millionen Dollar in die Hand und sagte sinngemäß: „Vergiss ‚Halo‘ und mach mit der Kohle, was du willst“. Denn Peter Jackson hat Blomkamps mittlerweile sehr berühmten Kurzfilm Alive in Joburg gesehen und war extrem beeindruckt. Damit ist Peter Jackson offiziell einer von den Guten. Das Resultat ist „District 9“, stand bis vor kurzem auf Platz 1 der amerikanischen Kinocharts, entwickelt sich gerade zu einem internationalen Phänomen und wischt mit etwa 98% aller Super-Duper-Hollywood-Mega-Blockbuster-mit-Kampfrobotern den Boden auf. Wenn uns hier nicht ein moderner Klassiker über die Leinwand geflimmert ist, verschenk ich meine DVD-Sammlung (auch den Spice-Girls-Film!).

Vor 28 Jahren kamen sie nach Johannesburg, knapp zwei Millionen von ihnen. Jetzt leben sie zusammengepfercht in einem gigantischen Ghetto, bewohnen schäbige Wellblechhütten, organisieren sich in Gangs, kaufen ihre Bedarfsmittel auf dem Schwarzmarkt. Die Regierung gewährt ihnen Asyl – noch. Aber jetzt sollen sie umgesiedelt werden, in ein anderes, größeres Ghetto, Hauptsache weiter weg. Niemand will sie haben. „Was wollen die bei uns? Sie sollen einfach wieder gehen“ sagt eine Frau in die Kamera. Und dann blickt sie nach oben in den Himmel, denn dort schwebt ihr gigantisches Raumschiff, mit dem sie vor 28 Jahren auf der Erde angekommen sind. Sie, das sind die insektoiden Außerirdischen, genannt „Prawns“. Niemand weiß, warum sie sich gerade die Erde ausgesucht haben. Angeblich können sie ihr Raumschiff nicht mehr von der Stelle bewegen, aber vielleicht ist das nur eine Lüge. Das Misstrauen und die Angst der Menschen wachsen, immer häufiger kommt es zu Rassenunruhen. Der junge Verwaltungsbeamte Mikus van de Merwe (Sharlto Copley) ist für die Umsiedelung der Prawns verantwortlich. Bei der Durchsuchung einer der Alien-Barracken findet er einen kleinen Metallbehälter. Was sich darin befindet, wird die Geschichte der Menschheit für immer verändern.

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Räumen wir doch etwaige Missverständnisse sofort aus: „District 9“ ist nicht „Independence Day“. Noch nicht mal „Krieg der Welten“. Statt uns zum tausendsten mal zu zeigen, wie Amerika die Welt vor bösen Aliens rettet, beantwortet Regisseur Blomkamp ein paar faszinierende „Was wäre wenn?“-Fragen: Was wäre denn, wenn wir wirklich mit Wesen von einem anderen Stern koexistieren würden? Wie würden wir mit den Besuchern umgehen? Wo und wie würden wir sie unterbringen? Wie könnten wir voneinander lernen – und wollen wir das überhaupt? Und wie ernähren sich solche Aliens eigentlich? Nur auf dem Papier banale Fragen, die „District 9“ mit einer Konsequenz beantwortet, die es in der Form auf der großen Leinwand noch nicht zu sehen gab. Ähnlich wie sein Mentor Peter Jackson in der „Herr der Ringe“-Trilogie, strebt auch Blomkamp die völlige Verschmelzung von Realfilm und Tricksequenzen an. Also wundert euch nicht, wenn die ersten 20 Filmminuten wie eine klassische Dokumentation wirken. Das bedeutet: Eine wackelige Handkamera, Interviews mit „Betroffenen“ und täuschend echte Nachrichtenschnipsel, die uns über das Zusammenleben der Menschen in Südafrika mit den Prawns aufklären. Dass die Szenen dabei nie gekünstelt oder gar lächerlich wirken, ist dem einmaligen Regietalent von Neill Blomkamp geschuldet. Der erst 29 Jahre alte (!) Science-Fiction-Fan bringt den ungewöhnlichen Stoff so stilsicher und selbstbewusst auf die Leinwand, dass vielen älteren Kollegen da der Angstschweiß auf der Stirn stehen dürfte. Michael Bay sollte nach diesem Film ohnehin aus dem Raum schleichen und leise die Tür hinter sich zumachen. Ein dickes „Geile Scheiße, Jungs!“ muss aber auch in Richtung der Tricktechniker gehen: Schon in den ersten Einstellungen, in denen das titanische Raumschiff hoch im Himmel hängt, bleibt einem vor Staunen der Mund offen stehen. Auch die schnarrenden, umher huschenden Prawns fügen sich absolut nahtlos ins Bild ein – auch wenn hier ein paar Großrechner Tag und Nacht gerendert haben dürften, sieht man doch nie die virtuelle Herkunft der Aliens. Das ist wirklich ganz große Special-Effect-Kunst, die uns hier geboten wird – und beweist wieder mal, dass die besten Tricks jene sind, die man nicht sieht.

„Johannesburg, Doku-Stil, eine überdeutliche Apartheid-Metapher – ja, ist das denn hier ein Actionfilm oder was?“ Fragt ihr euch jetzt vermutlich zu recht. Und schon wieder kann ich Entwarnung geben: Fast unbemerkt wechselt Blomkamp nach etwa einem Drittel den Ton und die Stilmittel, bis er am Ende bei einem zünftigen Finale angelangt ist, bei dem man vor Anspannung fast das Biertrinken vergisst. Da wiederhole ich mich gerne noch mal: Der Bengel hat’s echt drauf. Ein paar wirklich fiese Body-Horror-Sequenzen hätten sogar dem alten Ekel-Altmeister David Cronenberg alle Ehre gemacht. Und anders als bei unzähligen hirnlosen Sommer-Blockbustern wirkt selbst der relativ konventionelle Schluss niemals plump oder anbiedernd, sondern gnadenlos konsequent. Und mit „konsequent“ meine ich auch „teilweise ziemlich brutal“. Ziemlich brutal. Sagen wir es so: Die zahlreichen Alien-Waffen, die im ersten Drittel eingeführt werden, liegen nicht einfach nur als Requisiten in der Gegend rum. Wir alle wollen Hardcore-Alien-Shit, also kriegen wir ihn auch. Ach, Neill, ich bin ein bisschen verliebt.

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Kurz gesagt: „District 9“ ist ein absolutes Pflichtprogramm in diesem Sommer. Ich habe am Ende (so wie viele, viele andere) lange geklatscht und war erstmal ziemlich umgehauen. Intelligent, spannend, visuell atemberaubend – Nerd-Herz, was willst du mehr? Mit diesem Film hat Neill Blomkamp endgültig bewiesen, dass er einer von uns ist. Einer mit Herz und Hirn. Einer, der keine Kompromisse eingeht. Und einer, der bald, wenn irgend jemand bei Microsoft gefeuert wurde, auf Knien angebettelt wird, bitte doch noch “Halo” zu drehen, da halte ich jede Wette. Es ist wirklich schön zu sehen, dass jemand seinen Traum so zielstrebig verfolgt, bis er ihn verwirklich hat. Trotz aller Bürohengste und Sesselfurzer in irgendwelchen Chefetagen, die sich mit Dollarscheinen ihre dicken Hintern abwischen. Manchmal siegt am Ende eben doch das Gute. Anschauen. Anschauen. Anschauen. Ab dem 10. September. Tut euch einen Gefallen und geht ins Kino.

P.S.: Noch ein kurzes ganz persönliches Wort: Wenn ihr, wie wir, das Pech haben solltet, in einer Vorstellung zu sitzen, die voll ist mit Idioten, deren geistige Kapazität es übersteigt, dass Aliens in einem Film Gefühle haben, miteinander kommunizieren, Schmerz und Trauer spüren, dass sie Hunger haben, diskriminiert und verfolgt werden … die bei jeder, aber wirklich bei JEDER noch so (jawohl!) berührenden Szene in brüllendes Gelächter ausbrechen, weil das ja ALIENS sind ROFLMAO!!! … nun, ich will hier nicht zur Gewalt aufrufen, aber ich werde niemanden anklagen. Ahem.

Und nach dem Klick auf das Bild: Noch mehr Nerdiges zur Enstehungsgeschichte des Films von Simon! Klick mich!
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