Als jemand, der seit langer Zeit in der Games-Berichterstattung tätig ist, muss ich mich immer wieder mit der Frage auseinandersetzen, was denn ein Videospiel im Grunde so ausmacht. Ist die Grafik das wichtigste? Was ist mit der Steuerung? Wie ist das Gameplay? Auf der Suche nach der Antwort fallen dann oft die üblichen Schlagwörter wie „krachende Action“, „Technikfeuerwerk“ oder „wohl-dosierter Schwierigkeitsgrad“, alles schon mal dagewesen, alles nicht der Rede wert. Wirklich kritisch wird es allerdings erst, wenn sich jemand entschließt folgenden Begriff zu verwenden: „Kunst“.

Bei dem Wort Kunst horcht jeder sofort auf. „Hat er das ernst gemeint?“. „Will er wirklich ein schnödes Videospiel mit einem Kunstwerk gleichsetzen?“. Ob so ein junges und interaktives Medium überhaupt Kunst sein kann liegt zwar letztendlich im Auge des Betrachters, aber eines ist sicher: Es wird darüber heftigst diskutiert. Jetzt wird, dank eines frisch im Netz veröffentlichten Trailers, die Debatte wieder einmal aufflammen. Es folgt das erste Material zu „Project TRICO“, Sonys neuestem Go-To-Titel auf der PS3.

„TRICO“ ist der inoffizielle dritte Teil einer Serie von PlayStation-Spielen, die sich nicht so recht in eine der üblichen Kategorien pressen lassen. Den Anfang machte 2001 „ICO“ für die PS2, ein kleines Action-Adventure, welches sich seitdem zum Kult-Hit entwickelt hat. Als zierlicher Junge mit Hörnern wird man von ein paar fiesen Gestalten in einer großen Grabkammer eingesperrt und muss daraus flüchten. Auf dem Weg nach draußen trifft man ein hilfloses Mädel namens Yorda und nimmt sie natürlich mit.

Das Konzept von „ICO“ ist nicht übermäßig originell, es ist im Grunde „The Legend of Zelda“ auf Sparflamme, aber es punktet dafür in anderen Bereichen. Trotz recht schwammiger Optik strahlt das Spiel dank feinem Design eine echt gute Stimmung aus, dazu kommt die ziemlich einzigartige emotionale Bindung, die man als Spieler mit den Hauptfiguren aufbaut. Yorda will nämlich ständig an der Hand mitgeführt werden, sonst wird sie von gierigen Schattenmenschen entführt. Am Ende ist man dann entweder total genervt und will Yorda am liebsten von der nächsten Klippe werfen, oder es entwickelt sich ein regelrechter Beschützerinstinkt, der so bis dato in keinem anderen Spiel entstanden ist. Viele fassen diese Eigenschaften mit folgendem Wort zusammen… richtig, „Kunst“.

Legt man die Scheuklappen mal ab ist „ICO“ nicht unbedingt all den Hype wert, den es bekommen hat, aber man erkennt warum die Fans so extrem drauf abfahren. Etwas anders sieht es bei der 2006 erschienenen Fortsetzung „Shadow of the Colossus“ aus. Die ist nämlich „all den Hype wert“, wurde von uns zum Spiel des Jahres ernannt und fand sich in unser Top 20 der besten Spiele überhaupt wieder. Prinz Wander bringt dort seine verstorbene Angetraute zu einem Altar und geht einen Pakt mit dem Teufel ein: „Töte alle Kolosse und deine Freundin weilt wieder unter den Lebenden!“.

Man macht sich also per Pferd über ein weitläufiges Gebiet auf und verrichtet seine Arbeit. Das Problem dabei ist: die Kolosse haben einem eigentlich nichts getan. Sie wehren sich zwar, aber im Grunde ist man selbst der „Bösewicht“, der einen nach dem anderen der gemütlichen Riesen erledigt. Dieser Zwiespalt gepaart mit der Stimmung und großartigem Gameplay macht aus „Shadow of the Colossus“ einen der besten Titel seiner Generation und ja, auch das Spiel was man am ehesten als Kunst bezeichnen kann ohne dass jeder in schallendes Gelächter ausbricht.

Jetzt sehen wir endlich, nach langen Jahren des Stillschweigens, erstes Bewegtmaterial des langerwarteten Nachfolgers. In „Project TRICO“ spielt man wohl einen kleinen Jungen, der mit seinem überdimensionierten Rattenvogel-Haustier durch eine malerische Fantasywelt wandert. Der Trailer selbst ist mittlerweile über ein Jahr alt und eine Projektstudie, damit Sony sehen kann wie das fertige Ergebnis irgendwann mal werden wird. Geht man nach den Projektstudien von „ICO“ und „Shadow of the Colossus“ heißt dies, „TRICO“ könnte vielleicht am Ende so aussehen, muss es aber nicht unbedingt.

Ich bin momentan noch etwas auf der Kippe. Einerseits sieht „Project TRICO“ in der Form schon sehr cool aus und könnte ein echt tolles Spiel werden. Andererseits bin ich leicht enttäuscht drüber, dass bei all dem Hype und Innovations-Anspruch der Macher wir einfach eine Mischung aus „ICO“ und „Shadow of the Colossus“ erhalten anstatt was komplett Neues. Außerdem wissen wir doch alle, wo das alles hinführen wird, oder? Man schliesst den Rattenvogel im Laufe des Spieles ins Herz und weint dann bittere Tränen, weil das Vieh am Ende stirbt oder man es sogar selbst töten muss. KUNST PUR! ;-)

Ich hoffe die Entwickler tappen nicht in die Falle und zitieren sich einfach die ganze Zeit selbst. Wenn ich mich wie bei „ICO“ und „Shadow of the Colossus“ fühlen will, dann spiele ich „ICO“ und „Shadow of the Colossus“ …hmm, ich glaube, dass mache ich sogar. Gleich jetzt.